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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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zurückgekehrt, Flora freute sich so. Aber sie wollte die Augen noch nicht öffnen, denn dann würde sie erkennen, dass es nicht ihr Papa war. Seine Stimme sagte, sie solle ganz austrinken, dann würde es ihr gleich besser gehen. Er behauptete, sie im Garten gefunden zu haben. Bestimmt in einem Zwiebelbeet, alles roch wieder danach.
    »Wo bist du nur gewesen?«, fragte er.
    Das hätte sie selbst gerne gewusst. In Omas Beeten gab es keine Zwiebeln und auch kein Spiegelfenster in ihrem Haus. Ein Schreck durchfuhr sie. Mamas Schuh, den hatte sie auf dem Bett liegen lassen, als sie auf das Fenster geklettert war. Wie konnte das nur passieren? Flora wand sich in seinen Zwiebelarmen. »Lass mich runter.« Sie riss die Augen auf und schrie ihn an.
    »Ruh dich aus.« Er umwickelte sie mit einer Decke und legte sie auf sein Sonntagssofa. So hatte sie sein Ledersofa genannt, als sie es zum ersten Mal sah. Weiß wie der letzte Tag der Woche, weil da alles wieder von vorne anfing und Papa ihr erklärt hatte, dass Weiß alle Farben gleichzeitig enthielt, wie das Licht. Als sie es mit dem Malkasten ausprobiert hatte, war nur ein Grau herausgekommen. So eines wie das, das ihr vorhin alle Farben genommen hatte. Hatte der Zwiebler denn keine Angst, dass sie mit ihren blutigen Füßen und der schmutzigen Hose alles dreckig machte? Er duldete doch keinen Krümel, saugte mit dem Tischstaubsauger alles sofort weg, und man musste die Schuhe ausziehen, bevor man ihn besuchte. Er aber kam mit Dreckschuhen zu ihnen rübergelatscht. Bei uns ist es ja egal, sagte Mama dann immer. Manchmal hatte Mama laut darüber nachgedacht, wie das wohl wurde, wenn sein Sohn größer war, ob er ihm dann einen Putzlappen um den Bauch band, damit er seinen eigenen Schmutz beim Herumkrabbeln gleich wieder aufwischte?
    Flora trug jetzt keine Shorts mehr, nur noch ihre Unterhose und das fremde Shirt. Ihre Füße steckten in weißen Socken, die ihr viel zu groß waren, und sie konnte Verbände darunter spüren. Die Löcher in ihren Knöcheln pochten zackendunkelrot, tock, tock, wir sind da, und wir heilen nie, nie mehr zu. Flora fing zu weinen an.
    »Mama kommt gleich. Ich habe sie angerufen«, sagte er und wollte ihr übers Haar streicheln. Sie schlug seine schrupplig vom Wasser aufgeweichte Hand mit den welligen Fingernägeln weg.
    »Wo ist … « Sie merkte, wie schwer es ihr fiel, Worte zu formen. Dabei hatte sie geglaubt, Sprechen könne man nicht verlernen, aber vielleicht war es wie mit Schwimmen und Radfahren, auch da musste man wieder üben, sonst ertrank man oder stürzte. »En-ni?«, presste sie heraus.
    »Im Krankenhaus. Er hatte einen Unfall.«
    »Mit dem Auto?«
    Er nickte, musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. Sie biss sich auf die Lippen, vom Auto hätte sie nichts sagen dürfen. Jetzt wusste er, dass sie es wusste, aber sie war sowieso schuld. Hätte sie ihren Eltern alles verraten, wäre ihrem Bruder nichts passiert. Sie hätten ihm verboten, Auto zu fahren, bevor er den Führerschein besaß.
    Auf einmal klingelte es. Er stopfte die Decke rings um sie fest und ging zur Tür.

68.
    Wenn Richard den Vorhang zur Seite riss, würde er sie entdecken. Sie atmete in kurzen Zügen durch den Mund, drückte sich noch fester gegen die Wand. Mit einer Hand hielt sie den Stoff von sich weg, damit ihre Konturen nicht zu erahnen waren, mit der anderen Hand tastete sie fieberhaft umher. Sie stieß auf einen Hohlraum, ein eingebautes Regal. Carina kroch darunter, brachte mit ihrem Körper das unterste Regalbrett zum Wackeln. Hoffentlich fiel nicht gleich alles heraus, was darauflag! Sie umklammerte das Fach, wollte die Sachen wieder nach hinten schieben und griff in runde Löcher von Aktenordnern. So eng wie möglich kauerte sie sich zusammen. Das Atmen fiel ihr schwer, ihr Rücken schmerzte und ihre Knie zitterten. Die Schritte kamen auf sie zu, näher, immer näher. Sie hielt die Luft an. Dann rauschte Richard durch den Vorhang. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, er würde vor dem Durchgang stehen bleiben, zwischen Vorhang und Wand spähen und sie finden. Doch er ging weiter, nach drüben, in Jakobs Haus. Sie atmete auf, hörte sein leises Tappen, dann Papiergeraschel. Die Pläne! Sie hatte sie einfach so auf dem Tisch liegen lassen, ganz offen. Von wegen das Zeug zur Polizistin, stümperhafter konnte man sich nicht verhalten! Nun blieb nur die Flucht nach vorne. Als sich Richards Schritte entfernten, kroch sie aus dem Fach. Hoffentlich

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