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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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ständig.«
    Ach ja, die Filmstadt war nur einen Katzensprung entfernt, und dieser Umstand, zusammen mit dem Gewitter, konnte tatsächlich erklären, warum keiner wegen der Schüsse bei der Polizei angerufen hat.
    »So, Fräulein Doktor, ich muss jetzt, meine Sendung fängt an.« Sie scheuchte Carina mit einer Handbewegung fort und schloss die Tür.

21.
    Aus Schneemannkohlenaugen glotzte das Eismädchen zu ihr herüber. Sie streckte die Hand nach ihr aus, das Mädchen tat es ihr gleich. Erst da merkte sie, dass sie es selbst war, in einem Spiegel, der eine Wand ausfüllte, als wäre er der Bestimmer hier. Sie tastete ihre neue Bettdecke ab, die aus lauter bunten Stoffquadraten genäht war und die ihr die Nachbarin geschenkt hatte. Mama hatte sie extra gewaschen, damit sie nicht mehr nach Frau Mayerhofer roch. Bei der muffelte es immer so verpieselt, obwohl es in ihrem Häuschen auf der anderen Straßenseite gemütlich war und sie sie gerne besuchte und die Sachen anschaute, die Frau Mayerhofer noch von ihrem gestorbenen Mann besaß. Der hatte Bilderrahmen gesammelt, ohne Bilder drin. Und weil sie doch so gerne malte, hatte ihr Frau Mayerhofer manchmal einen gegeben, einen von den vielen Hundert, die übereinander in ihrem Schlafzimmer und überall hingen. So als würde ihr Mann sie schimpfen, wenn auch nur einer fehlte. Sie leihe ihn ihr, hatte sie laut gesagt, und dann leise: »Für immer.«
    Vielleicht ließ sich der Pieselmuff aus der Decke nicht rauswaschen, oder war sie es selbst, die so stank? Ihr Hintern fühlte sich an wie in Watte gepackt, etwas klebte an ihr. Jemand hatte ihr eine Windel angezogen. Sie war doch kein Baby mehr, was sollte das? Siebzehn Quadrate weiter schmeckte sie ihre Beine am Ende der Decke und hörte ihre Knöchel keuchen, gedämpft, als wären sie schon ganz heiser vom Schreien. Schnell drückte sie ihre Nase ins Kopfkissen; wenn sie sich ganz fest anstrengte und tief einatmete, konnte sie den Zwiebelgestank wegdenken und die Plastikschnur, die durch ihre Füße lief. Im Kissen war noch, ganz tief drinnen, ein rosa gepunkteter Geruch nach frisch Gewaschenem, nach Mamas Parfüm und Papas Pullover. Nach Zuhause, nach Lachen und Kuscheln und Nicht-alleine-Sein.
    Ihre Schlafbeine träumten, ruckten. Schwer lagen sie in der Matratze, sie spürte ein Ziehen bis in die Fußsohlen. Ein Feuer entzündete sich in ihren Knöcheln, breitete sich aus und kroch ihre Beine hinauf. Sie verkrampfte die Zehen, wischte sich mit dem Shirt die Tränen ab, strich über Saras Schmetterling, kratzte mit den Fingernägeln über die Pailletten. In diesem Moment begriff sie. Eine Verwechslung, die Zwiebelhäute hatten nicht sie gewollt, sondern ihre Freundin, ja, so musste es gewesen sein. Sie würde es ihnen sagen, wenn sie zurückkamen, dass sie sie, so leid es ihr für Sara tat, samt dieser Plastikschnur umtauschen mussten.

22.
    Obwohl es kein Tatort mehr war, der noch untersucht wurde, zögerte Carina, ins Looshaus zu gehen. Galt Mattes Verbot eigentlich nur für diesen Fall oder generell? Egal. Solange er sich weigerte, ihr Auskunft über ihre persönliche Geschichte zu geben, würde sie machen, was sie wollte. Er tat es schließlich auch. Oder glaubte er, mit einem uralten Geburtstagsbrief, den er ihr in die Hand drückte wie einen Lutscher einem quengelnden Kleinkind, wäre die Sache abgetan? Sie lauschte. Erst glaubte sie, die gleichförmige Reggae-Musik erklinge wieder von drinnen, aber es war ein Miauen. Aus ihrer Tasche holte sie Einmal-Handschuhe, streifte sie über und sperrte auf. Im Flur war keine Katze zu sehen. Carina warf noch einen schnellen Blick zurück auf die Straße, als stünde ihr Vater drohend auf dem Gehweg, dann trat sie auf Zehenspitzen über die Schwelle und zog die Tür von innen zu. Stille umfing sie. Hatte sie sich getäuscht und sich das Miauen nur eingebildet? Die Einrichtung war ihr seltsam vertraut, obwohl sie gestern gar nicht auf die Möbel geachtet hatte. Sie wagte es nicht weiterzugehen. Auch wenn der Tatort freigegeben worden war, würde sie mit jedem ihrer Schritte Fußabdrücke auf dem Boden hinterlassen. Sie streckte sich und klappte den Schuhschrank rechts neben sich in der Garderobe auf. Für eine dreiköpfige Familie war er erstaunlich leer, vielleicht räumten sie die Winterschuhe den Sommer über woandershin? Zwei Fußballschuhe in verschiedenen Farben, die vermutlich Enrico gehörten, und Herrenschuhe in Braun und Schwarz, die von der Größe her für Jakob

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