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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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sie wieder nach oben. Im leeren Zimmer aalte sich Bingo in einem Streifen Sonnenlicht, der durch das Fenster aufs Parkett fiel. Ob ihr Vater von der »Katzenfängerin« wusste, wie Frau Mayerhofer die Raucherin nannte, die das Haus am Morgen der Morde beobachtet hatte?
    Die SMS von Wanda hatte sie immer noch nicht gelesen, jetzt schaute sie kurz die Geschenkeliste von Sandro durch: 1. Knete, 2. Ein Glätteisen, 3. Nagelfeilset. Also, abgesehen von der Knete sah das doch mehr nach Wandas Wünschen aus. Auf ihrem Handy befand sich auch immer noch die Nachricht ihres Vaters, die er ihr draufgesprochen hatte, kurz nachdem er angeschossen worden war. Bisher hatte sie es nicht übers Herz gebracht, sie zu löschen. Aber angehört hatte sie sie seither auch nicht mehr. Sie hockte sich auf den Gymnastikball, streichelte Bingo und schaltete die Mailbox ein.
    Die Worte ihres Vaters hallten durch den kahlen Raum. Sofort lähmte sie wieder das Gefühl von damals. Beim ersten Abhören war sie überzeugt gewesen, dass er gerade starb, ja schlimmer noch, bereits tot war. Eine lähmende Angst hatte sie gepackt. Nachrichten, die ihre Weltsicht veränderten. Nach ewiger Herumdruckserei gestand er ihr in der dritten Mitteilung, dass Silvia nicht ihre richtige Mutter war.
    Danach folgten seine letzten Worte: »Kra-ha-llinger gescho-hssen.«
    Sie lauschte seinen Atemzügen, die nach und nach leiser wurden. Im Hintergrund waren Stimmen und Gepolter zu hören und dann ein Klicken, bei dem Carina bisher gedacht hatte, hier sei die Mailbox abgeschaltet worden. Doch als sie auf das Display sah, zeigte es noch fünf Sekunden an. Wahrscheinlich hatte ihr Vater die Taste verfehlt, woanders draufgedrückt, war dann wegen des Blutverlusts schwächer geworden, vielleicht sogar bewusstlos, und jemand, der ihn fand, hatte die Aufnahme gestoppt. Noch drei Sekunden. Ein Flüstern, dann klickte es. Sie spulte zurück und hörte es sich erneut an, presste ihr Ohr an den Lautsprecher. Sie verstand Schüldaneres oder Schdanieriss . Die Stimme klang drohend, ein Zischen ohne Ton, wie ein schnelles Ausatmen. Das konnte unmöglich ihr Vater gewesen sein.

23.
    Neumaising, Mai 1992
    »Bevor ihr euch zusauft, lasst uns doch erst noch ein bisschen arbeiten, die Woche war lang.« Iris streckte sich zu den verräucherten Balken und gähnte. Seit dem Rohwedder-Attentat vor über einem Jahr hatte bei ihr der Alltag hauptsächlich aus konzentriertem Lesen bestanden. Quellenberichte der V-Leute auswerten und einen neuen Bericht verfassen. Wenig Erhellendes war darunter gewesen, und wenn, dann musste sie es weiterleiten und hörte nie mehr von der Sache. Endlich erlöste die neue Anzeige im Kurier sie aus der steif machenden Schreibtischarbeit:
    Die Fünf gratulieren Dir, liebe Hofi, zum Geburtstag, gefeiert wird am Samstag ab 16 Uhr.
    Das hieß, entweder einer der vier anderen steckte in Schwierigkeiten, oder ein weiterer Auftrag stand bevor. In den folgenden Nächten schlief sie schlecht, aber nicht weil ihr die Vorstellung, wieder zu töten, Gewissensbisse bereitet hätte; sie ging in Gedanken einfach noch mal die alten Fälle durch, überlegte, was sie verbessern konnte, um Fehler möglichst auszuschalten. Fehler bedeuteten Enttarnung.
    »Was denkst du, um was geht es diesmal?« Sie setzte sich neben Calimero auf die Eckbank, ließ es zu, dass er den Arm um sie legte und sie näher zu sich heranzog.
    »Autsch!« Sie jaulte auf, als sie sich das Knie an der Tischkante stieß, und bremste gleich darauf seine Hand, die die Innenseite ihrer Beine hinaufkletterte. »Lass das.«
    Er gehorchte, trank einen Schluck Bier und forderte Felix auf, den Umschlag zu öffnen, den er, Calimero, aus dem Postschließfach mitgebracht hatte. Die Zigarette in den Mundwinkel geklemmt, schob Felix die Bierflaschen und die Chips auf der Tischplatte zusammen, schnappte sich Krallingers Taschenmesser und schlitzte den dicken Umschlag auf. Gebündelte Hundertmarkscheine fielen heraus. Felix schüttelte das braune Kuvert, als hätte sich die Nachricht womöglich darin verfangen, aber da war nichts weiter, obwohl er die Papptasche bis in ihre Einzelteile zerlegte. Nur fünf Geldbündel à dreitausend Mark.
    »Sieht nach Abfindung aus.« Krallinger kicherte, verstummte, als keiner in sein Lachen einstimmte, und stopfte sich Salami in den Rachen.
    »Wer von euch hat die Anzeige aufgegeben?« Calimero sprang auf und hob dabei den Tisch an. Ein paar Flaschen fielen um und rollten über den Rand. Es

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