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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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Wange gewölbt. Vielleicht bewahrte er sich noch etwas Kraftfutter für später auf. Carina fiel es schwerer als gedacht, in Gegenwart eines anderen das schmerzverzerrte Schnaufen ihres Vaters zu ertragen. Was hätte sie nur getan, wenn er gestorben wäre, Lügerei hin oder her? Sie versuchte sich abzulenken, starrte auf Peters polierte Haferlschuhe.
    Er bemerkte ihren Blick und zog die Fußspitzen unter den Stuhl. Nach Schüldaneres schluckte er seinen letzten Bissen hinunter und bat sie, ein kurzes Stück zurückzuspulen. Dann hörte er sich die Nachricht noch einmal an. »Entweder lispelt der Sprecher, Sült , Sylt, die Insel? Schultern, mmh. Schdanieris ? Danniris … geht es um eine Iris? Dein Verbindungskabel hast du nicht zufällig dabei?«
    Iris, Iris, war das ihr Name? Carina war wie elektrisiert, der Name klang seltsam vertraut, obwohl sie keine Iris kannte. Sie starrte ihn an.
    »Kabel, Steckerverbindung, verstehst du mich?« Da sie immer noch keine Reaktion zeigte, gestikulierte er vielsagend. »Damit ich mir die Nachricht rüberladen kann.«
    »Ach so.« Carina suchte in ihrer Tasche, in der sich fast ihr ganzer Besitz befand, aber das Kabel lag in ihrem Bad, wo sie das Handy nachts meistens auflud. Neben dem ungeöffneten Brief, den ihr Vater ihr gegeben hatte, fiel ihr die Bärenkarte in die Hände. »Wie geht es eigentlich der kleinen Schwester von Enrico? Wer kümmert sich um sie, oder darfst du darüber auch nicht sprechen?«
    Peter wühlte in einer Schreibtischschublade, zerrte ab und zu ein Kabel heraus, legte es zurück. »Enrico hat keine Schwester.« Endlich fand er den passenden Stecker, verband das Handy mit seinem Netbook, das er aus seiner Tasche geholt hatte, und übertrug die Nachricht darauf. »Ich analysiere es zu Hause – ich hab da so ein eigenes Verfahren entwickelt – , und geb dir Bescheid, sobald ich was Näheres weiß.«
    Carina rang mit sich. Wie konnte sie ihm von ihrem Fund und der Möbellieferung berichten, ohne zuzugeben, dass sie noch mal im Haus gewesen war? Sie starrte auf die Insektenschuhe. »Ich habe die Nachbarin getroffen, die gegenüber der Loos-Familie wohnt«, tastete sie sich vor.
    »Frau Mayerhofer?«, fragte Peter. »Mit ihr habe ich schon gesprochen, sie war beim Schwimmen, als die Schüsse fielen. Kaum hat sie meine alten, abgelatschten Turnschuhe gesehen, hat sie mir die Haferlschuhe geschenkt. Angeblich sind die von ihrem Mann, der sie aber nie getragen hat.«
    War das nicht Beamtenbestechung? Aber Carina verkniff sich die Bemerkung. »Mir hat sie gesagt, dass sie beim Arzt war, und sie hat sich nach der kleinen Tochter von Olivia und Jakob erkundigt. Flora Loos. Sie sei bei der Oma, glaubt sie. Stimmt das?«
    »Flora Loos? Den Namen höre ich zum ersten Mal. Warte, ich bin gleich zurück.« Er rannte hinaus, ließ die Tür offen. Carina lauschte im Gang. Plötzlich hörte sie die donnernde Stimme ihres Vaters und dann ein Krachen, als wäre etwas Schweres gegen die Wand geflogen.

26.
    Der Schmerz schlich sich an, blähte sich auf und brüllte auf sie ein. Was, wenn es immer schlimmer und schlimmer wurde? Wie sollte sie das aushalten? Es musste aufhören, auf der Stelle! Sie versuchte still zu liegen und nicht an die Schnur zu denken, die durch ihre Füße gebohrt worden war. Die pochte wie ein Monster, das an der Tür klopft.
    Sie hatte von Omas Garten geträumt, alles war ganz anders gewesen, ihre Eltern hatten sich aufgeführt wie kleine Kinder, waren lachend irgendwo hineingerutscht. Wie lange schlief sie schon? Waren die Ferien schon wieder zu Ende? Sara hatte sich hoffentlich nicht in echt verletzt? Wo war ihre Freundin gerade? Dachte sie auch an sie, in diesem Moment?
    Und ihr Geburtstag, dieser bedeutende Tag, der aus allen Farben bestand und wie ein Stern leuchtete, war in einer Seifenblase davongeschwebt. Alles war lumpengrau, ein Fetzen nur noch, hinter dem die Finsternis lauerte. Sie wusste nicht, ob es ein graues Heute war oder ein graues Gestern oder Morgen. Die Zwiebelhäute hatten ihr die Farben gestohlen.
    Würde sie je wieder springen können? Mit diesen durchgestochenen Füßen vermutlich nicht. Warum kam nicht einfach ihr Papa und erstickte den Schmerz? Wo war er? Vielleicht fühlte es sich so an, wenn man starb, man verbrannte von unten herauf.
    Dann kam ihr ein neuer Gedanke. Vielleicht hatte sie jahrelang geschlafen, wie das Dornröschen im Märchen. Die hatte sich an einer Spindel gestochen und hundert Jahre verpasst. Aber bei ihr

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