Die Verstummten: Thriller (German Edition)
Zeigefinger.«
»Erweiterten Selbstmord können wir also endgültig ausschließen«, fasste Peter zusammen. »Ob Täter oder Täterin, Mann oder Frau, wissen wir noch nicht, auch wenn dieser Ex- BND -Beamte Felix Jering nun zu den Verdächtigen gehört. Nur um es abzukürzen, bleiben wir vorerstbei › der Täter‹.« Er überlegte kurz. »Wie klingt Folgendes für euch? Er bedroht das Ehepaar im Erdgeschoss mit der Waffe, schießt zweimal und verletzt sie dabei.« Peter hielt inne und sah zu Carina.
»Was? Äh, nein.« Erst jetzt begriff sie, dass das eine an sie gerichtete Frage war. »Die beiden hatten keine weiteren Wunden oder Verletzungen. Abgesehen von … «
»Ja?« Nicht nur Peter lauschte gespannt, auch Vincent und Verena sahen vom Tablet mit der Spurenauswertung auf.
»Es waren nicht direkt Wunden.« Sie hatte Olivias Bauch untersucht. »Olivia Loos hatte unterschiedlich verblassteDehnungsstreifen auf der Haut. Das heißt, sie ist mindestens zweimal schwanger gewesen, allerdings habe ich das nicht in der Obduktion notiert, weil … « Sie biss sich auf die Lippen.
»Weil der Strom ausgefallen ist«, ergänzte Verena.
Carina nickte.
»Na ja, es nützt nichts, über Wenn oder Wäre zu grübeln. Jeder hätte die Existenz des Mädchens entdecken können, aber es sollte wohl bewusst verhindert werden.« Peter berührte Carina unterm Tisch kurz am Arm. »Machen wir mit dem Tathergang weiter. Der Täter hat sich also entweder selbst verletzt, oder Jakob oder Olivia haben ihn mit irgendwas abgewehrt. Vorausgesetzt, dass das Blut an der Kellertreppe vom Tag des Mordes stammt.«
»Über die Fingerabdrücke werden wir gleich Bescheid wissen.« Vincent bat Verena um die Speicherkarte ihrer Kamera und öffnete das Fingerabdrucksystem in seinem Notebook, um die Aufnahmen der blutigen Fingerabdrücke mit der Datenbank abzugleichen. »Warum geht das jetzt nicht? Scheißtechnik.« Er schüttelte das Notebook und erinnerte Carina damit an jemanden, der auf den Fernseher eindrosch, wenn das Bild grieselte. Sie staunte, wo doch gerade er als Spurenexperte mit sämtlichen technischen Finessen vertraut sein musste. Es fehlte nur noch, dass er den Computer auf die Tischkante schlug.
»Hast du die Karte richtig herum reingesteckt?«, fragte Verena.
»Klar.« Vincent seufzte und überließ ihr das Gerät. Verena nahm die Speicherkarte noch mal heraus und schob sie wieder rein. Das AFIS -Programm, das die Merkmale mit über drei Millionen Abdrücken verglich, startete sofort.
»Was war das jetzt?« Vincent runzelte die Stirn, als könnte er nicht glauben, was er sah.
Verena zuckte mit den Schultern. »Der Kartentrick, Papa.« Sie lachte.
Papa? War das ein Scherz unter Liebenden?, fragte sich Carina. Nannte sie ihn wegen des großen Altersunterschieds so? Sie hieß doch Verena Thiel und er Haas mit Nachnamen.
»Bis wir ein Ergebnis haben, lasst uns das Bisherige zusammenfassen.« Peter zog ein Notizbuch aus seiner Sporttasche, ein welliges Ding, das mit einem Gummiband viele Einmerker und Zettel zusammenhielt. Es ähnelte Carinas Skizzenbuch, bloß dass es viel kleiner war, nur hosentaschengroß und ein Querformat. Sie hätte gerne darin geblättert und sich alles angesehen. In einer Lasche an der Seite steckte ein Stummelbleistift mit Radiergummi. »Der Täter jagt das Paar in den ersten Stock, wo sie ihre Hochzeitskleider anziehen müssen, und erschießt sie. Danach macht er alles sauber und sammelt die Patronenhülsen bis auf die eine unterm Bett ein. Wenn wir immer noch von Enrico als Täter ausgehen, hat er sich nach der sorgfältigen Putzerei das Auto seines Vaters geschnappt und ist auf die Autobahn geprescht.«
»Also, mein jüngerer Bruder weiß nicht mal, wo unsere Eltern die Putzmittel aufbewahren, und selbst wenn er dazu gezwungen wäre, würde er das nie so gründlich machen und sogar die Möbelkanten abwischen, stimmt’s?«, sagte Verena.
»So schlimm ist Veit auch wieder nicht«, murmelte Vincent.
Carina ging ein Licht auf. »Also ihr seid wirklich Vater und Tochter?« Mit ihren tief liegenden dunklen Augen unter dem blauen Pony und den hohen Wangenknochen sah Verena Vincent in keiner Weise ähnlich, das wäre ihr doch sonst aufgefallen. Also musste Verena mehr nach der Mutter gehen.
»Die beiden sind das zweite Dreamteam à la Kyreleis.« Peter zwinkerte ihr zu.
»Eigentlich wollte ich nie zur Polizei«, erklärte Verena.
»Wieso eigentlich?«, fragte Vincent. »War ich dir kein gutes
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