Die Versuchung der Hoffnung
ziemlich sicher, dass ich ähnlich aussehe.
Bevor ich weiß, was los ist, nestelt Jonathan in meiner Manteltasche herum und hält mir schließlich mein Handy hin.
„Du musst Val anrufen!“
Irritiert nehme ich mein Handy entgegen. „Warum sollte ich denn jetzt Val anrufen?“ Ich wäre lieber noch ein bisschen mit ihm hier allein geblieben.
„Entweder sagst du ihr, sie soll jetzt sofort hierher kommen und dich dann möglichst weit und möglichst schnell von mir wegbringen. Oder aber du sagst ihr, dass du heute Nacht nicht bei ihr, sondern bei mir schlafen wirst. Und dann bringe ich dich möglichst schnell weg von hier. Du hast die Wahl!“
Ohne zu wissen, was ich ihr sagen soll, wähle ich Valeries Nummer.
„Hallo, Hope!“ Gewohnt gut gelaunt erklingt ihre Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Hi.“ Das ist zwar keine sehr schlaue Antwort, aber immerhin gibt sie mir einen Moment Zeit, mir zu überlegen, was ich jetzt tatsächlich sagen will. Ganz tief hole ich Luft, schließe meine Augen und versuche meine Gedanken zu sammeln.
„Valerie … Ich …“
„Wo seid ihr gerade genau, Hope?“
„Auf dem Parkplatz. Vor Johns Auto.“ Langsam öffne ich meine Augen wieder.
„Okay. Wir sind ganz in der Nähe. Und in zwei Minuten bei euch.“ Ohne meine Antwort abzuwarten, legt Val auf.
Ich stecke mein Handy langsam zurück in meine Jackentasche, während John mich grinsend und mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtet.
„Was hat sie gesagt?“
„Sie sind schon unterwegs zu uns und in zwei Minuten hier.“ Ich versuche, möglichst neutral zu klingen, obwohl ich irgendwie enttäuscht bin.
„So ein Mist!“, flucht John, bevor er wieder bei mir ist und nach meinen Händen greift. „Aber dann sollten wir die Wartezeit unbedingt sinnvoll nutzen.“ Er küsst mich und ich muss lachen.
„Ja, unbedingt“, flüstere ich an seinem Mund, bevor ich seinen Kuss erwidere.
Tief seufzend lege ich den Kopf zurück, damit er leichteren Zugang zu meinem Mund bekommt, und dränge mich wieder enger an ihn. Während es vorhin meine Hände waren, die unter seine Sachen gewandert sind, sind es jetzt seine. Er wühlt sich durch verschiedene Schichten von Bekleidung, bis er bei meinem Bauch angekommen ist. Seine Finger malen Kreise auf meine nackte Haut und ich bekomme eine Gänsehaut.
Ich könnte schwören, dass es maximal zwanzig Sekunden und keine zwei Minuten sind, bis sich jemand hinter uns räuspert. Genau in dem Moment, als Johns Hände in deutlicher Absi cht angefangen haben, von meinem Bauch aus höher zu gleiten. Da Unentschlossenheit heute Abend meine treue Begleiterin zu sein scheint, weiß ich auch dieses Mal wieder nicht, ob ich die Unterbrechung erfreulich oder frustrierend finden soll.
Lass es langsam angehen! , verlangt die besonnene Seite in mir. Manche Chancen kommen nie wieder und das Leben ist zu kurz, um immer nur abzuwarten! , meint die andere, verwegenere Seite.
Das Räuspern hinter uns wiederholt sich, dieses Mal lauter. Verlegen löse ich mich von John und will mich neben ihn stellen, aber er lässt mich nicht. Stattdessen dreht er mich nur in seinen Armen um, sodass er nun hinter mir steht, und schlingt dann von hinten seine Arme um meine Taille und zieht mich fest an sich.
„Hi! Hattet ihr einen schönen Abend?“ Er klingt völlig cool. Nicht so, als hätten sie uns gerade beim Knutschen und beinah auch noch beim Fummeln erwischt.
Das liegt vielleicht daran, dass er ständig in solchen Situationen ist. Da bekommt man Routine.
Ich will lieber gar nicht genauer darüber nachdenken.
Während ich mich ein bisschen benommen und ein bisschen verlegen umschaue, fängt die grinsende Valerie meinen Blick auf und wackelt anzüglich mit den Augenbrauen. Lachend strecke ich ihr die Zunge raus.
„Wir hatten geplant, noch einen Becher Punsch mit euch zu trinken, bevor wir alle wieder nach Hause fahren“, ergreift Frank nun das Wort. „Aber wenn wir euch stören sollten …“
„Nein, nein! Ihr stört uns nicht. Natürlich trinken wir gern noch etwas mit euch“, beeile ich mich zu sagen.
Natürlich stört ihr. Verschwindet gefälligst wieder!
Das hätte ich viel lieber gesagt, aber dafür bin ich wohl einfach zu gut erzogen und zu wenig egoistisch.
Also stürzen wir uns zurück ins Gedränge und trinken alle gemeinsam noch einen Becher heißen Punsch.
Valerie wirft mir ständig neugierige, fragende Blicke zu. Ich bin mir sicher, dass sie nur darauf wartet, mich einen Augenblick allein
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