Die Versuchung der Hoffnung
tatsächlich als gut empfunden, aber das ist jetzt mit einem Schlag vorbei. Der Typ macht mich völlig aggressiv, wie kann man nur so sehr von sich selbst überzeugt sein?
Ronald bemerkt von alledem natürlich mal wieder nichts.
„Darf ich hereinkommen?“, fragt er stattdessen und wedelt wieder mit der Flasche Wein herum. Ich schiele auf das Etikett und seufze bedauernd, der Wein schmeckt bestimmt köstlich. Leider verdirbt der Flaschenanhänger in Form von Ronald das Vergnügen vermutlich erheblich. Verzweifelt versuche ich auf eine halbwegs nette Formulierung zu kommen, um ihn wieder loszuwerden, als mich die Scheinwerfer eines ankommenden Autos ablenken.
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Sam war schon auffällig still, als John ihn heute Nachmittag abgeholt hat. Daran haben auch ein Besuch im Kino inklusive Nachos und Gummibärchen sowie das beinah schon traditionelle Burgeressen mit einer extragroßen Portion Eis im Anschluss nichts ändern können. Im Laufe des Tages wurde er zunehmend blasser, bis sich seine Gesichtsfarbe schließlich zu einem fahlen Grau verändert hat.
„Geht’s dir nicht gut, Kumpel?“, hat John ihn schließlich gefragt, als sie auf dem Weg zurück in seine Wohnung waren.
„Ich habe ganz schlimme Bauchschmerzen.“ Sam hatte zu weinen begonnen.
„Soll ich dich lieber zu deiner Mum fahren?“
Sams mattes Kopfnicken hatte John in ein merkwürdiges Gefühlschaos aus Rührung, Enttäuschung, Verständnis und Erleichterung versetzt. Rührung, weil sein kleiner Junge so tapfer war. Enttäuschung, weil er für ihn eben doch noch nicht eine so vertraute Person war wie seine Mutter. Gleichzeitig hatte er aber auch Verständnis dafür. Und die Erleichterung … die war wohl das dominanteste der ganzen Gefühle, denn John hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was man mit einem kranken Kind anstellen musste und war heilfroh, dieses Problem einfach an Hope abschieben zu können.
Er hat seinen Wagen noch nicht ganz vor Hopes Haustür zum Stehen gebracht, als schon das nächste Gefühlschaos über ihn hereinbricht: Da steht irgendein Typ mit einer Flasche Wein in der Hand vor ihrer Haustür und macht Hope ganz offensichtlich schöne Augen.
Na prima! Während er sich um ihren gemeinsamen Sohn kümmert, amüsiert sie sich anscheinend blendend bei Dates mit irgendwelchen Typen, die ihr völlig überteuerte Rotweine mitbringen!
Als John aus dem Auto steigt, überrollt ihn eine Welle aus Eifersucht und dem Gefühl von Besitzansprüchen, die er so nicht hat kommen sehen und die ihm einen Moment lang fast den Boden unter den Füßen wegreißt.
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Stutzig schaue ich auf das vor meinem Haus parkende Auto, aus dem ein aufgeregter John und ein mehr als blasser Sam aussteigen.
„Was ist denn hier los?“ Ich dränge mich an Ronald vorbei und schaue meinen Sohn besorgt und Jonathan vorwurfsvoll an. „Ist irgendetwas passiert?“
„Sam hat nur ein bisschen Bauchschmerzen“, versucht John mich zu beschwichtigen. Aber ich bin gerade nicht in der Stimmung, mich beschwichtigen zu lassen.
„Er sieht aber nicht nach nur ein bisschen Bauchschmerzen aus!“, motze ich Jonathan an. „Was hast du ihm denn zu essen gegeben?“
John guckt ein bisschen dumm aus der Wäsche und beinah tut er mir leid. Aber nur beinah und nur so lang, bis er mir die Liste von Süßem und Fast Food herunterrattert, die er meinem Sohn heute zu essen gegeben hat.
„Das hat er alles gegessen? Wir haben doch darüber geredet, Jonathan. Letzte Woche erst! Kein Wunder, dass das arme Kind Bauchschmerzen hat!“
„Hope?“ Ronald ruft mich, aber ich werfe ihm nur einen schnellen Blick aus dem Augenwinkel zu. Er steht immer noch vor der Tür, während Sam müde im Türrahmen lehnt.
„Jetzt nicht, Ron!“ Langsam werde ich wirklich giftig.
„Aber Hope …“
Ich ignoriere ihn einfach und fahre damit fort, John Vorwürfe zu machen.
„Jetzt komm mal wieder runter! Er hat an anderen Tagen schon mehr gegessen, ohne dass er anschließend Bauchschmerzen hatte!“
„Wie bitte?“ Ich schnappe nach Luft, als ich ein Geräusch höre, das nur eines bedeuten kann. Als ich mich umdrehe, sehe ich Sam, der sich gerade lautstark übergibt - und zwar auf Ronalds Schuhe. Dieser springt angewidert zur Seite.
„Dein Sohn hat übrigens Fieber und ist kaltschweißig, Hope. Und während ihr euch angegiftet habt, habe ich ihm mal ein paar Fragen gestellt. Er klagt außerdem über starke Schmerzen, die anfangs im rechten Unterbauch saßen, jetzt aber überall
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