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Die Versuchung der Hoffnung

Die Versuchung der Hoffnung

Titel: Die Versuchung der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Kaiser
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schrecklich an. Mein Kind ist krank und ich lasse es bei völlig Fremden – am liebsten würde ich nur ein paar Sachen zusammensuchen und dann gleich wieder in die Klinik zurückfahren. Wenn ich das Ganze allerdings ein bisschen rationaler betrachte, muss ich zugeben, dass mir ein paar Stunden Schlaf wirklich nicht schaden würden und Sam es zudem im Moment gar nicht mitbekommt, ob ich da bin oder nicht.
    Dass John da ist, finde ich tröstlich und ich will ihn auf gar keinen Fall gehen lassen. Jetzt noch zwei Stunden nach Hause zu fahren, nur um morgen früh gleich wieder herzukommen, wäre ohnehin verrückt, also biete ich ihm an, auf dem Sofa zu schlafen.
    Ich bin völlig erledigt, aber ich kann trotzdem keine Ruhe finden; John scheint es ebenso zu gehen. Also hole ich meine Fotoalben heraus und wir schauen gemeinsam alte Baby- und Kinderbilder von Sam an. Nach einer Weile sinkt mein Kopf wie von selbst gegen Johns Schulter und wir beide lassen es einfach geschehen.
    Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, und als ich wieder wach werde, bin ich für einen Moment völlig orientierungslos. Dann merke ich, dass ich auf dem Sofa liege, fest umfangen von Johns Armen, über uns beiden ist eine Wolldecke ausgebreitet. Es fühlt sich so gut an, so geborgen, sicher und tröstlich, dass ich mir gar keine weiteren Gedanken mehr mache, mich enger an ihn kuschle und weiterschlafe.
     
    John ist am nächsten Morgen erstaunlicherweise schon vor mir wach und es riecht nach frisch aufgebrühtem Kaffee, als ich wach werde. Draußen ist es noch dunkel. Ich reibe mir müde die Augen, bevor ich ins Bad gehe, um meinen derangierten Zustand etwas zu richten. Ich verzichte auf eine Dusche, wasche mir aber das Gesicht mit kaltem Wasser und putze mir die Zähne, schminke mich notdürftig und binde mein Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Schnell verschwinde ich im Schlafzimmer, um mir etwas Frisches anzuziehen, bevor ich zu John in die Küche gehe und mich an den Tisch setze.
    „Guten Morgen, Jonathan.“ Es ist ungewohnt, ihn morgens in meiner Küche stehen zu sehen. Überhaupt ist es ungewohnt, dass er hier ist, dass ich ihn ständig um mich habe seit unserem ersten Wiedersehen vor ein paar Wochen. Ich muss mir eingestehen, dass es sich ziemlich gut anfühlt.
    „Guten Morgen!“ Er lächelt mich an und ich frage mich, wie jemand nach einer so kurzen Nacht auf dem Sofa so gut aussehen kann. Seine Haare sind ein bisschen zerzaust, was aber eher gekonnt und gewollt als ungepflegt aussieht und seine Augen schimmern dunkelbraun und tief wie das Meer. Kurz begutachte ich seine Kleidung, er trägt Jeans und ein dunkelgraues Flanellhemd, dessen Ärmel er aufgerollt hat, sodass seine muskulösen Unterarme mit den Ausläufern seiner Tätowierungen sichtbar werden. Unter dem Hemd trägt er ein weißes T-Shirt und er sieht unverschämt lässig damit aus.
    „Ich hatte noch Wechselkleidung im Auto …“, sagt er fast entschuldigend, als er bemerkt, dass ich ihn mustere, gleichzeitig reicht er mir eine Tasse Kaffee. Schnell senke ich den Blick.
    Du solltest den Vater deines Kindes sowieso nicht auf diese Art anstarren, während dein Kind im Krankenhaus ist.
    Verlegen nippe ich an meinem Kaffee, während John einen der Stühle zurückzieht, bevor er sich niederlässt und seine langen Beine ausstreckt.
    „Ich habe schon im Krankenhaus angerufen. Sam schläft immer noch, aber wir können wieder hinfahren, sobald wir soweit sind. Sie verlegen ihn heute auf ein normales Zimmer.“
    „Du bist ein Schatz.“ Ich weiß gar nicht, ob ich selbst auf die Idee gekommen wäre, einfach in der Klinik anzurufen. Wahrscheinlich wäre ich kopflos hier herumgerannt, halb verrückt vor Sorge.
    „Manchmal bin ich das.“ John lächelt, aber seine Augen zeigen keinerlei Fröhlichkeit. Ich kann mich nicht entsinnen, wann ich mich je so sehr danach gesehnt hätte, ihn zu küssen, wie in diesem Moment.

Kapitel 22
     
    Zum Glück geht es Sam schnell besser und es dauert nicht lang, bis er wieder so fit ist, dass er sich im Krankenhaus furchtbar langweilt.
    John schenkt ihm irgendein tragbares Minicomputerteil, mit dem man Spiele spielen, Fotos machen und jede Menge anderen Blödsinn anstellen kann. Und auch wenn ich der Meinung bin, dass die Hälfte der Spiele dazu immer noch genug gewesen wäre, schimpfe ich diesmal nicht. Zumal John vorher mit mir darüber gesprochen hat.
    Ich bin jeden Tag im Krankenhaus und auch John ist fast jeden Tag da. Manchmal gehen wir

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