Die Versuchung der Hoffnung
gar nichts dafür, dass es Sam so schlecht geht.“
„Schon okay … Ich hätte mit dem Essen wirklich besser aufpassen müssen. Ich wäre an deiner Stelle auch sauer gewesen.“
Diesmal ist er es, der nach meiner Hand greift und ich bin auf einmal unendlich froh, dass er hier ist und ich das nicht allein durchstehen muss.
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Das Warten scheint unendlich lang zu dauern. Hope ist beinah so blass, wie Sam es vorhin war, und John würde sie am liebsten in den Arm nehmen und so lang festhalten, bis sie wieder lachen kann.
Stattdessen sitzt er einfach nur neben ihr und fühlt sich wie der letzte Idiot. Vor allem aber fühlt er sich völlig hilflos.
Mit beiden Händen fährt er sich durch das Haar, bevor er aufsteht.
„Ich schaue mal, ob ich irgendwo etwas zu trinken bekommen kann. Einen Kaffee oder so …“
Hope nickt nur stumm und blickt weiter starr geradeaus, während ihre Hände nervös mit dem Armband ihrer Uhr spielen.
Und genauso sitzt sie immer noch da, als John mit zwei Bechern Tee aus dem Automaten zurückkommt. Als sie seine Schritte hört, blickt sie hoch und ihre Augen schwimmen vor Tränen, trotzdem versucht sie ihn anzulächeln, hilflos, verlegen und tapfer zugleich.
Das ist mein Hope. Meine Familie!
Vorsichtig stellt er den einen Becher neben ihr auf einer der unbequemen, olivgrünen Plastikschalen ab, die für die Wartenden hier an die Wand geschraubt wurden, den anderen Becher gibt er Hope.
„Kann ich dich noch mal kurz allein lassen? Ich bin ganz schnell zurück.“
Hope nickt nur stumm, um dann weiter an ihrem Armband zu spielen, und John bringt es fast nicht übers Herz, sie noch einmal allein zu lassen.
Aber hier darf er nicht mit dem Handy telefonieren und er hat eine Entscheidung getroffen, die keinen Aufschub mehr duldet.
Auf dem schnellsten Wege verlässt er das Krankenhaus. Er ist kaum vor der Tür angekommen, als er schon sein Handy in der Hand hält und wählt. Nach viermaligem Klingeln meldet sich die Mailbox.
„Bruce? Ich bin’s, John. Sag Plony, dass sie sich jemand anderen suchen sollen, ich setze mich endgültig zur Ruhe.“ Anschließend schaltet er sein Handy aus und steckt es wieder ein.
Wieder bei Hope angekommen, stellt er seinen Tee achtlos auf den Fußboden und zieht stattdessen Hope in seine Arme. Sofort fängt sie an zu weinen und er wiegt sie hin und her wie ein kleines Kind, so lang, bis ihre Tränen wieder versiegen. Zumindest er fühlt sich danach besser.
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Kapitel 21
„Mrs. und Mr. Petterson?“
Es ist ein bisschen komisch, gemeinsam so angesprochen zu werden, gleichwohl nicken wir beide.
Der Arzt berichtet kurz und bündig, dass die OP soweit gut verlaufen ist, aber ein Blinddarmdurchbruch immer die große Gefahr einer anschließenden Sepsis mit sich bringt. Sam muss mindestens eine Woche zur Überwachung im Krankenhaus bleiben und wird antibiotisch versorgt, aber im Moment ist sein Zustand unkritisch.
Vor lauter Erleichterung wird mir beinah schwindelig und ich könnte gleich noch mal losheulen, reiße mich aber zusammen, weil wir zu Sam dürfen, der gerade langsam aus der Narkose erwacht.
Völlig benommen lächelt er mich an, um dann sofort wieder einzuschlafen. Ich weiß nicht, wie lang ich neben seinem Bett sitze, einfach nur seine Hand halte und ihn anschaue. Als John mir die Hand auf die Schulter legt, ist es jedenfalls bereits weit nach Mitternacht.
„Ich habe gerade mit der Schwester gesprochen. Wir sollen nach Hause fahren. Sie sagt, Sam wird jetzt erst einmal schlafen. Sie melden sich sofort, wenn sich irgendetwas ändern sollte. Wir können morgen früh gleich wiederkommen und sollen ihm dann auch ein paar Sachen mitbringen. Komm, du musst auch ein bisschen schlafen. Du kannst heute nichts mehr für ihn tun. Er ist hier gut aufgehoben. Lass ihn sich gesund schlafen.“
Ich bleibe noch einen Moment lang sitzen und betrachte meinen schlafenden Sohn, während Johns Hand weiter auf meiner Schulter ruht. Ohne darüber nachzudenken, schmiege ich mein Gesicht an seine Hand und er streichelt mir mit dem Daumen über die Wange. Es fühlt sich so gut, vertraut und richtig an, dass ich ziemlich lang brauche, um zu bemerken, dass es das eigentlich gar nicht ist. Nichtsdestotrotz bleibe ich ein paar Sekunden nach dieser Erkenntnis weiter so sitzen. Dann erhebe ich mich seufzend und gehe gemeinsam mit John zu seinem Auto.
Meinen Sohn im Krankenhaus zu lassen und ohne ihn nach Hause zu kommen, fühlt sich einfach
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