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Die Versuchung der Hoffnung

Die Versuchung der Hoffnung

Titel: Die Versuchung der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Kaiser
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sind. Ich denke, er hat eine Blinddarmentzündung. Ihr solltet mit ihm ins Krankenhaus fahren. Guten Abend noch.“ Ron schüttelt angewidert etwas von seinem Schuh ab, das aussieht wie ein Stückchen halbverdauter Nacho, wischt seine Schuhe einmal an der feuchten Wiese im Vorgarten ab, steigt dann ins Auto und fährt weg.

 
Kapitel 20
     
    Einen Moment lang starren sowohl John als auch ich Ronald entgeistert hinterher, bis wir uns fast zeitlich umdrehen und auf Samuel zustürzen, der zitternd und weinend im Türrahmen steht.
    „Sam …“, flüstere ich, während ich mein schluchzendes Kind in die Arme ziehe. Plötzlich fühle ich mich völlig hilflos und könnte ebenfalls anfangen zu weinen.
    Mein Junge ist krank und seine Eltern haben nichts Besseres zu tun, als vor seinen Augen in Streit auszubrechen. John legt mir die Hand auf meine Schulter und reicht mir ein Glas Wasser und ein feuchtes Geschirrtuch, das er aus der Küche geholt hat.
    „Zum Mund ausspülen und abwischen. Aber lass ihn nichts trinken, falls er operiert werden muss.“ Ich bin ihm dankbar für so viel Geistesgegenwärtigkeit und helfe Sam dabei, sich sauber zu machen.
    „Komm, ich fahre euch ins Krankenhaus.“ Vorsichtig hebt John Samuel hoch und legt ihn auf die Rückbank, während ich hinterherklettere und Sams Kopf auf meinen Schoß bette.
     
    Auf dem Weg ins Krankenhaus geht es Samuel zunehmend schlechter. Die Bauchschmerzen scheinen immer stärker zu werden und er gibt kein Wort mehr von sich, nur ab und an wimmert er leise. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie erleichtert ich bin, als wir endlich an der Klinik ankommen.
    Jonathan nimmt Samuel wieder auf den Arm und ich renne hilflos hinter den beiden her. Ich muss ehrlich zugeben: John macht das großartig. Während ich bei meinen, glücklicherweise bislang wenigen, Besuchen im Krankenhaus immer erst einmal Ewigkeiten übersehen wurde, hat er blitzschnell eine Schwester organisiert. Es dauert keine drei Minuten, bis wir mit unserem Kind in einen Untersuchungsraum gehen dürfen. Als hätte er nie etwas anderes getan, hält John Sams Hand fest und redet die ganze Zeit mit ihm, während ich die Aufnahmebögen ausfülle.
    Kurze Zeit später kommt ein Arzt und untersucht Sam. Er tastet Sams Bauch ab und schaut besorgt drein, als er die Schwester bittet, das Ultraschallgerät zu holen.
    „Hat er schon lang diese Bauchschmerzen?“, fragt er, halb an Sam und halb an mich gewandt.
    „Nein!“, antworte ich.
    „Doch“, sagt Sam.
    „Warum hast du mir das denn nicht gesagt?“ Irritiert schaue ich vom Aufnahmebogen auf.
    „Ich wollte doch zu John und du hättest es dann bestimmt verboten! Und außerdem waren die Bauchschmerzen zwischendrin mal fast weg … bis sie dann wieder ganz schlimm wurden.“
    „Oh, Sam …“
    Das Schlimmste ist ja, dass er recht hat. Ich hätte den Besuch vermutlich wirklich verboten. Einfach deshalb, weil ich es John nicht zugetraut hätte, sich um ein Kind zu kümmern, das eventuell krank sein könnte. Und vielleicht auch deshalb, weil ich es vor lauter Sorge dann nicht mehr zu Hause ausgehalten hätte. Irgendwie schwebt in meinem Kopf der Gedanke herum, dass sich niemand außer mir vernünftig um mein Kind kümmern kann. Vermutlich deshalb, weil ich so lang die Einzige gewesen bin, die dafür zuständig war, sich um ihn zu kümmern. Und jetzt?
    Ich bin eine furchtbare Glucke geworden. In der Absicht, Sam zu beschützen, habe ich dafür gesorgt, dass alles nur noch schlimmer wird.
    „Wir müssen sofort operieren.“ Der Arzt schaut mit gerunzelter Stirn auf den Monitor des Ultraschallgerätes. „Es sieht so aus, als wäre es bereits zu einem Durchbruch des Appendix gekommen.“
    Ich spüre, wie mir alles Blut aus dem Gesicht weicht. Ohne es zu wollen, taste ich nach Jonathans Hand und halte mich an ihm fest. Ein geplatzter Blinddarm! Was für ein Albtraum!
    Dann geht alles sehr schnell, Sam wird weggerollt und John und mir bleibt nur zu warten.
    Ich mache mir schreckliche Vorwürfe. Ich will meinen Sohn immer vor allem beschützen und bin manchmal viel zu streng. Wenn er keine Angst gehabt hätte, dass ich ihm das Wochenende mit John verbiete, auf das er sich so sehr gefreut hat, hätte man die Blinddarmentzündung bestimmt schon viel früher festgestellt und es wäre gar nicht erst so weit gekommen. Und wenn ich schon dabei bin, Reue zu zeigen …
    „Es tut mir leid, John“, murmele ich. „Ich habe dir solche Vorwürfe gemacht und dabei konntest du

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