Die Versuchung der Hoffnung
fragt: Wie konnte ich nur? Aber John fällt definitiv nicht in diese Kategorie.
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In dem Moment, in dem er Hope sieht, ist seine gesamte Aufmerksamkeit sofort bei ihr und nur noch bei ihr. Das Kleid, das sie trägt, umspielt sanft ihre immer noch fast mädchenhafte Figur. Als sie sich zu ihm an den Tisch setzt, weht ein Hauch von Gewürzen, Vanille und Orangenschalen zu ihm herüber. Und als sie jetzt auch noch anfängt, mit der verdammten Perlenkette zu spielen, ist es ganz um ihn geschehen. Alles, woran er denken kann, ist ihre Hochzeitsnacht – in der sie nichts trug außer eben dieser Kette.
Bilder von Hope, die sich unter ihm aufbäumt, den Mund zu einem lustvollen Stöhnen geöffnet, blitzen in seinem Kopf auf und erwecken sein bestes Stück umgehend zum Leben. John beginnt unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen im Bemühen, eine Sitzposition zu finden, in der ihm seine Hose nicht viel zu eng erscheint.
Währenddessen hält Hope ihm irgendwelche Vorträge über Schlafenszeiten und gesundes Essen, redet über Verantwortung und überteuerte Geschenke, die sich ungesund auf die kindliche Psyche auswirken können.
Das Einzige, was John tun kann, ist immer wieder umsichtig zu nicken und sein Einverständnis zu allem zu geben, was auch immer sie gerade sagen mag. Ganz egal was. Hauptsache, sie merkt nicht, wo er tatsächlich mit seinen Gedanken ist.
Das Abendessen wird zu einer Qual. Hätte er mal nur einen etwas weniger intimen Ort für ihre Besprechung gewählt. Und vor allem einen, an dem sie sich weniger nett zurechtgemacht hätte.
Als ob du nicht immer zu sabbern anfangen würdest, wenn du sie siehst. Egal, was sie gerade trägt.
Auch wieder wahr. Demnächst würde er einfach nur noch am Telefon mit ihr sprechen.
Als er später wieder zu Hause ist, hat er acht Nachrichten auf seinem Anrufbeantworter und alle sind von seinem Manager.
Das Angebot für das Soloalbum ist schon sehr verlockend. Andererseits würde es dazu führen, dass er deutlich weniger Zeit hätte, ständig auf Achse wäre und wieder um die halbe Welt fliegen und jeden Tag in einem anderen Hotel aufwachen müsste, sobald die Tour losgehen würde. Und er würde wieder deutlich mehr im Interesse der Öffentlichkeit stehen, was wiederum auch Auswirkungen auf Sam hätte, vielleicht sogar auf Hope.
Dennoch: Er hat so lang auf so ein Angebot gewartet, so lang darauf gehofft. So eine Chance kommt niemals wieder. Er hätte schon längst zusagen sollen.
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Nach unserem Gespräch bin ich bezüglich des nächsten Wochenendes, das Sam und John miteinander verbringen werden, doch deutlich entspannter. John mag ja von Kindern wenig Ahnung habe, aber er ist weder dumm noch unwillig. Auch wenn er bei manchen Dingen deutlich lockerer sein mag, als ich das bin, wird er das Kind schon schaukeln. Nicht nur im übertragenen, sondern auch im ganz realen Sinn.
Ein klitzekleines bisschen genieße ich es sogar, das ganze Wochenende frei zu haben. Wenn ich vielleicht auch nicht ganz so entspannt bin, wie ich es wäre, wenn Sam bei Mike und Valerie wäre.
Dessen ungeachtet komme ich ein großes Stück mit meinem Buch voran und überlege mir gerade, ob ich mir etwas zu essen bestelle oder mich stattdessen ganz ungesund von Unmengen Schokolade ernähre. Mein Kind ist ja nicht da, also brauche ich auf etwaige schlechte Vorbildfunktionen ja keinerlei Rücksicht nehmen.
Leider komme ich mit meinen Überlegungen nicht sehr weit, denn während ich noch abwechselnd die Verlockungen der Schokoladentafeln mit denen des Pizzakatalogs gegeneinander abwäge, klingelt es an der Tür.
Ein bisschen missmutig – hungrig sollte man mich lieber nicht stören – gehe ich hin, um zu öffnen. Meine Laune verschlechtert sich schlagartig, als ich sehe, was bzw. wer mich stört.
„Ronald …“, murmle ich und schaffe es in letzter Sekunde, meine Hände entspannt neben meinem Körper hängen zu lassen, statt mir fassungslos die Augen zu reiben. Gleichwohl befürchte oder vielmehr hoffe ich einen Moment lang, Halluzinationen zu haben.
Waren das letzte Telefonat und die Tatsache, dass ich mich nicht bei ihm gemeldet habe, nicht eindeutig genug?
Ganz offenkundig nicht, denn Ronald schenkt mir jetzt sein breitestes Lächeln und wedelt mit der Flasche Wein, die er in den Händen hält, vor meiner Nase herum.
„Guten Abend, meine Liebe!“ Sein Lächeln geht nun nahtlos von breit in selbstgefällig über. Bis zu diesem Moment habe ich den Abend
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