Die Versuchung
zuckte kurz. »So, und jetzt nehmen Sie die Waffe am Lauf heraus. Dann lege ich meine Schrotflinte weg.«
»Ich erschieße Sie schon nicht.«
»Stimmt genau. Das werden Sie nicht«, sagte er gelassen. »Aber tun Sie bitte, worum ich Sie gebeten habe, Miss Savage. Und tun Sie es ganz, ganz langsam.«
LuAnn nahm den Revolver am Lauf heraus.
»So, jetzt entladen Sie die Waffe. Dann stecken Sie die Patronen in eine Tasche, den Revolver in die andere. Und ich kann bis sechs zählen. Versuchen Sie keine Tricks.«
LuAnn tat, was Riggs verlangt hatte, und blickte ihn zornig an. »Ich bin es nicht gewohnt, wie eine Kriminelle behandelt zu werden.«
»Wenn Sie in mein Haus einbrechen, noch dazu mit einem Revolver, behandle ich Sie aber so. Sie können sich glücklich schätzen, daß ich nicht erst geschossen und dann gefragt habe. Eine Schrotladung kann ziemlich verheerend für den Teint sein.«
»Ich bin nicht eingebrochen. Die Tür war nicht abgeschlossen.«
»Sagen Sie das mal vor Gericht«, erwiderte er trocken.
Als Riggs sich davon überzeugt hatte, daß der Revolver entladen war, knickte er das Schrotgewehr ab und legte es auf den Bücherschrank. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und musterte LuAnn.
Sie war ziemlich nervös; dennoch nahm sie ihren ursprünglichen Gedanken wieder auf. »Mein Freundeskreis ist sehr klein. Wenn jemand in diesen Kreis eindringt, werde ich neugierig.«
»Seltsam. Sie nennen es ›Eindringen‹? Ich finde, man sollte es eher als Rettung in höchster Not bezeichnen, was ich heute morgen für Sie getan habe.«
LuAnn strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und wandte den Blick ab. »Hören Sie, Mr. Riggs …«
»Meine Freunde nennen mich Matt. Wir sind zwar keine Freunde, aber ich gestatte Ihnen dieses Privileg«, unterbrach er sie kühl.
»Dann sage ich lieber Matthew zu Ihnen. Ich möchte keine Ihrer Spielregeln verletzen.«
Riggs schaute sie für einen Moment verblüfft an. »Wie Sie wollen.«
»Charlie hat gesagt, Sie sind Polizist.«
»Das habe ich nie behauptet.«
Jetzt war es an LuAnn, ihn verblüfft anzuschauen. »Dann waren Sie einer?«
»Was ich war, geht Sie wirklich nichts an. Außerdem haben Sie mir noch nicht gesagt, was Sie hier suchen.«
LuAnn rieb die Hand über den alten Ledersessel. Sie antwortete nicht sofort. Riggs wartete, ließ das Schweigen im Raum stehen, bis LuAnn schließlich sagte: »Was heute morgen passiert ist … es ist ein wenig komplizierter, als es den Anschein hatte. Es ist eine Sache, um die ich mich selbst kümmern werde.« Sie machte eine Pause und schaute ihn an, musterte sein Gesicht. »Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie eingegriffen haben. Sie haben mir geholfen, obwohl Sie es nicht mußten. Ich bin hergekommen, um mich bei Ihnen zu bedanken.«
Riggs entspannte sich ein wenig. »Okay. Obwohl ich keinen Dank erwartet habe. Sie haben Hilfe gebraucht, und ich war zur Stelle. Da hilft man sich eben. Die Welt wäre ein viel besserer Ort, würden wir alle nach dieser Regel leben.«
»Ich bin nicht nur gekommen, um mich zu bedanken. Ich hätte auch eine Bitte an Sie.«
Riggs legte den Kopf schief, blickte sie an und wartete.
»Wegen der Sache heute morgen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, würden Sie die ganze Geschichte einfach vergessen. Wie ich schon sagte, Charlie und ich kümmern uns um die Angelegenheit. Würden Sie darin verwickelt, könnte für mich alles noch viel schwieriger werden.«
Riggs nahm sich Zeit, um über ihre Worte nachzudenken.
»Kennen Sie den Kerl?«
»Ich möchte wirklich nicht darüber reden.«
Riggs rieb sich übers Kinn. »Wissen Sie, der Bursche hat meinen Wagen gerammt. Ich finde, ich bin bereits in die Sache verwickelt.«
LuAnn trat näher zu ihm. »Ich weiß, daß Sie mich nicht kennen, aber es würde mir wirklich sehr viel bedeuten, wenn Sie die ganze Sache einfach vergessen könnten. Ehrlich.« Ihre Augen schienen mit jedem Wort größer zu werden.
Riggs fühlte sich zu ihr hingezogen, obwohl er sich keinen Zentimeter bewegt hatte. Ihr Blick ruhte fest auf seinem Gesicht. Das Sonnenlicht, das durchs Fenster fiel, schien mit einem Mal völlig ausgesperrt zu sein, wie bei einer Sonnenfinsternis.
»Also gut. Wenn der Kerl mir keinen Ärger mehr macht, vergesse ich, was passiert ist.«
Ein Ausdruck der Erleichterung legte sich auf LuAnns Gesicht. »Danke.«
Sie ging an ihm vorbei zur Treppe. Der Duft ihres Parfüms stieg ihm in die Nase. Seine Haut begann zu prickeln. Es war lange her,
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