Die Versuchung
legte einen Arm um Lisas Schultern. »Ich habe doch gesagt, mein Schatz, daß es noch nicht sicher ist. Ich sagte, vielleicht.«
»Darum geht es doch gar nicht. Jetzt sagst du, vielleicht. Aber dann ziehen wir eines Tages doch wieder um, und ich kann nichts dagegen tun.«
LuAnn vergrub das Gesicht in Lisas langem Haar. »Ich weiß, daß es schwer für dich ist, Baby.«
»Ich bin kein Baby, Mom. Nicht mehr. Und ich würde wirklich gern wissen, wovor wir weglaufen.«
LuAnn erstarrte und hob den Kopf, blickte Lisa in die Augen.
»Wir laufen nicht vor irgend etwas weg. Du liebe Güte, vor was sollten wir denn weglaufen?«
»Ich hatte gehofft, du sagst es mir. Mir gefällt es hier. Ich will hier bleiben. Wenn du mir keinen wirklich guten Grund sagen kannst, warum wir weg müssen, gehe ich nicht mit.«
»Lisa, du bist zehn Jahre alt und immer noch ein Kind, auch wenn du für dein Alter sehr klug und reif bist. Deshalb gehst du dorthin, wo ich hingehe.«
Lisa wandte das Gesicht ab. »Habe ich eigentlich ein großes Treuhandvermögen?«
»Ja. Warum?«
»Weil ich mein eigenes Haus haben werde, wenn ich achtzehn bin. Da werde ich dann wohnen bleiben, bis ich sterbe. Und ich will nicht, daß du mich jemals besuchst.«
LuAnns Wangen röteten sich. »Lisa!«
»Ich meine es ernst. Dann kann ich vielleicht Freunde haben und tun, was mir Spaß macht.«
»Lisa Marie Savage, du bist in der ganzen Welt gewesen. Du hast viel gesehen, viel erlebt. Mehr als die meisten Menschen im ganzen Leben.«
»Weißt du was?«
»Was?«
»Im Moment würde ich sofort mit denen tauschen.«
Lisa legte sich ins Bett und zog sich die Decke straff über den Kopf. »Und jetzt will ich allein sein.«
LuAnn wollte etwas erwidern, ließ es dann aber. Sie biß sich auf die Lippe, rannte über den Flur auf ihr Zimmer und warf sich aufs Bett.
Sie hatte das Gefühl, innerlich zerrissen zu werden, aufgedröselt zu werden wie ein Wollknäuel, das jemand eine lange Treppe hinuntergeworfen hatte. Schließlich stand sie auf, ging ins Bad und drehte die Dusche auf. Dann zog sie sich aus und stellte sich unter den heißen Wasserstrahl. Sie lehnte sich an die Wand, schloß die Augen und versuchte sich einzureden, daß alles gut würde, daß Lisa morgen früh wieder so sein würde wie zuvor.
Es war nicht der erste heftige Streit, den Mutter und Tochter im Laufe der Jahre ausgefochten hatten. Lisa besaß nicht nur die körperlichen Attribute ihrer Mutter, sondern auch deren Sturheit und das Verlangen nach Unabhängigkeit. Nach einigen Minuten hatte LuAnn sich beruhigt und ließ sich wohlig vom heißen Wasser überspülen.
Als sie die Augen wieder öffnete, drang ein anderes Bild in ihre Gedanken. Matthew Riggs mußte sie inzwischen für verrückt halten. Für verrückt und durch und durch verlogen. Eine tolle Kombination, wenn man Eindruck schinden wollte. Aber das wollte sie ja gar nicht. Wenn überhaupt, tat Riggs ihr leid, weil er zweimal sein Leben für sie riskiert hatte und beide Male für seine Bemühungen einen Tiefschlag einstecken mußte. Er war ein sehr attraktiver Mann, doch LuAnn war nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Wie konnte sie auch? Wie konnte sie auch nur daran denken, mit jemandem eine Partnerschaft einzugehen? Sie würde es ja kaum wagen, überhaupt den Mund aufzumachen, weil sie ständig befürchten mußte, daß ihr ein Geheimnis entschlüpfte.
Trotz allem blieb das Bild von Matt Riggs vor ihrem inneren Auge. Er sah wirklich gut aus. Und er war stark, ehrlich, mutig. Und wie bei ihr selbst gab es auch in seinem Vorleben Geheimnisse. Und verletzte Gefühle. Plötzlich fluchte sie laut, weil sie kein normales Leben führen und nicht einmal versuchen konnte, eine Freundschaft mit Riggs aufzubauen.
Sie rieb die Hände wütend über ihren Körper, seifte sich ein und ließ dabei ihrem hilflosen Zorn freien Lauf. Das Prickeln und Brennen auf ihrer Haut führte zu einer beunruhigenden Erkenntnis. Der letzte Mann, mit dem sie geschlafen hatte, war Duane Harvey gewesen. Vor zehn Jahren. Als LuAnns Finger über ihre Brüste glitten, tauchte wieder Riggs’ Bild vor ihr auf. Wütend schüttelte sie den Kopf. Dann schloß sie die Augen und drückte das Gesicht an die Wand. Die teuren italienischen Fliesen waren naß und warm. Obwohl Warnsignale in ihrem Inneren schrillten, verharrte sie in dieser Stellung. So naß. So warm. So sicher.
Beinahe unbewußt glitten ihre Hände zur Taille und dann über die Pobacken. Und die ganze Zeit war
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