Die Versuchung
töten wollen.
Vor zehn Jahren hatte Jackson vorhergesagt, daß LuAnn zu einem Problem würde. Nun erwies diese Vorhersage sich als zutreffend. Jackson hatte nach dem Gespräch mit Pemberton ein paar vorläufige Erkundigungen über Riggs’ Vorleben eingeholt. Die Tatsache, daß das Ergebnis sehr mager war, hatte sein Interesse noch gesteigert.
Als Riggs ganz dicht an Jackson vorbeiging, überlegte dieser, ob er ihn töten sollte. Ein blitzschneller Schnitt mit der rasiermesserscharfen Klinge über die Kehle hätte genügt. Doch so schnell der Mordimpuls durch Jacksons Hirn gerast war, so schnell verschwand er wieder. Wenn er Riggs tötete, brachte das nichts, jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt.
Jacksons Griff um das Heft des Messers lockerte sich. Soll Riggs ruhig noch einen Tag leben, dachte er. Doch falls es ein nächstes Mal gab, konnte das Ergebnis ganz anders aussehen. Jackson konnte es nicht ausstehen, wenn andere Leute sich in seine Angelegenheiten mischten. Er beschloß, Riggs’ Vorleben sehr viel genauer zu überprüfen.
Riggs verließ das Haus und ging zu seinem Cherokee. Er warf einen Blick zurück. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn. Es kam ihm so vor, als wäre er soeben mit knapper Not dem Tod entronnen. Er schüttelte das Gefühl ab. Früher hatten seine Instinkte ihm mehr als einmal das Leben gerettet. Doch seit er den Beruf gewechselt hatte, waren sie wohl etwas eingerostet. Das Haus war leer gewesen. Schluß, aus.
Jackson beobachtete vom Fenster aus, wie Riggs kurz zögerte, und seine Neugier wuchs noch mehr. Irgendwann würde Riggs vielleicht ein interessantes Projekt abgeben, aber das mußte noch warten. Erst einmal mußte Jackson sich um wichtigere Dinge kümmern.
Er nahm eine Tasche vom Boden des Wandschranks, die wie eine Arzttasche aussah, ging ins Eßzimmer, hockte sich hin und packte alles aus, was zu einer erstklassigen Ausrüstung zum Abnehmen von Fingerabdrücken gehörte. Dann richtete er das Laserhandgerät, das er in der Jackentasche trug, in verschiedenen Winkeln auf den Lichtschalter. Unter dem Laserstrahl kamen mehrere unsichtbare Abdrücke zum Vorschein. Mit einem Pinsel aus Fiberglas bestrich Jackson die Wand um den Lichtschalter, wo sich die Fingerabdrücke befanden, sowie den Schalter selbst mit schwarzen Puder. Er führte den Pinsel sehr behutsam, bis die Abdrücke zum Vorschein kamen. Die Arbeitsplatten in der Küche, das Telefon und die Türknöpfe behandelte Jackson auf die gleiche Weise. Auf dem Telefon waren die Abdrücke besonders deutlich. Jackson lächelte. Riggs’ wahre Identität würde nun kein Geheimnis mehr sein.
Mit Hilfe eines Klebebands nahm Jackson die Abdrücke und übertrug sie auf eine Karteikarte. Leise summend kennzeichnete er jede Karte mit besonderen Schriftzeichen und steckte sie einzeln in Umschläge, die innen mit Plastik beschichtet waren. Dann entfernte er sorgfältig die Spuren des Puders von sämtlichen Oberflächen. Er liebte die Methodik dieses Verfahrens. Präzise Schritte, die zu einer präzisen Schlußfolgerung führten.
Er brauchte nur wenige Minuten, um seine Ausrüstung wieder zu verstauen. Dann verließ er das Haus. Er nahm einen Seitenweg zu seinem geparkten Wagen und fuhr davon. Es kam nicht oft vor, daß er zwei Fliegen mit einer Klappe erwischte. Doch allmählich sah es so aus, als wäre es ihm an diesem Abend gelungen.
KAPITEL 36
»Ich finde Mr. Riggs nett, Mom.«
»Ja, aber du kennst ihn doch kaum.«
LuAnn saß auf der Kante von Lisas Bett und strich gedankenverloren über die Steppdecke.
»In solchen Dingen habe ich eine gute Nase.«
Mutter und Tochter tauschten ein Lächeln. »Wirklich? Dann kannst du mir ja einige deiner Erkenntnisse mitteilen.«
»Mal ehrlich, kommt er bald wieder?«
LuAnn holte tief Luft. »Lisa, vielleicht müssen wir bald wieder fort von hier.«
Lisas hoffnungsvolles Lächeln verschwand bei diesem abrupten Themenwechsel. »Fort? Wohin?«
»Das weiß ich noch nicht so genau. Es ist auch noch nicht ganz sicher. Onkel Charlie und ich haben das noch nicht ausdiskutiert.«
»Wollt ihr mich an dieser Diskussion nicht beteiligen?«
Der seltsame neue Tonfall in der Stimme ihrer Tochter überraschte LuAnn. »Was redest du da?«
»Wie oft sind wir in den letzten sechs Jahren umgezogen? Achtmal? Und das ist nur so weit zurück, wie ich mich erinnern kann. Wie oft sind wir schon umgezogen, als ich noch ganz klein war? Das ist nicht fair.« Lisas Gesicht wurde rot. Ihre Stimme bebte.
LuAnn
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