Die Versuchung
äußerst vorsichtig sein sollten.«
»Das können Sie mir doch alles telefonisch sagen.«
»Sind Sie schwer von Begriff, LuAnn? Ich sagte, daß ich Sie unter vier Augen sprechen will.«
»Aber wieso?«
»Ich werde Ihnen ein paar Gründe nennen, die Ihnen gewiß einleuchten. Sollten Sie nicht kommen, werde ich Riggs binnen einer halben Stunde aufspüren und töten. Ich werde ihm den Kopf abschlagen und Ihnen per Post zuschicken. Sollten Sie Riggs anrufen und ihn warnen, fahre ich in Ihre Villa und schlachte dort alles ab, was atmet, vom Hauspersonal bis zu den Gärtnern. Dann brenne ich Ihre hübsche Villa bis auf die Grundmauern nieder. Zum guten Schluß fahre ich in die Eliteschule Ihrer Tochter und töte alle, die sich dort aufhalten. Natürlich könnten Sie jetzt pausenlos telefonieren und versuchen, die ganze Stadt zu warnen. Aber dann werde ich wahllos jeden töten, der mir über den Weg läuft. Sind diese Gründe überzeugend, LuAnn, oder möchten Sie noch mehr hören?«
LuAnn war bei dieser verbalen Attacke blaß geworden. Sie zitterte und brachte die nächsten Worte nur mit größter Anstrengung über die Lippen. Sie wußte, daß Jackson jedes Wort ernst meinte, so verrückt es sich auch anhörte. »Wo und wann?«
»Genau wie früher. Ach, da wir gerade von früher sprechen, warum bitten Sie nicht Charlie, mitzukommen? Es betrifft ihn ebenfalls.«
Für einen Moment hielt LuAnn das Telefon von sich und starrte es an, als wollte sie es zum Schmelzen bringen, mitsamt dem Mann am anderen Ende. »Er ist im Augenblick nicht da.«
»Ach, wirklich? Und ich habe gedacht, er würde niemals von Ihrer Seite weichen, der gute alte Kumpel.«
Irgend etwas in seinem Tonfall schlug eine Saite in LuAnns Erinnerung an. Doch ihr fiel nicht ein, was es war. »Wir sind keine siamesischen Zwillinge, Charlie und ich. Er führt sein eigenes Leben.«
Zur Zeit, dachte Jackson. Zur Zeit, genau wie du. Aber ich bezweifle, daß es so bleibt. Das bezweifle ich sehr.
»Treffen wir uns doch in dem Cottage, in dem sich Ihr neugieriger Freund eingenistet hatte. In einer halben Stunde? Schaffen Sie das?«
»Ich werde in einer halben Stunde dort sein.«
Jackson legte den Hörer auf und griff automatisch nach dem Messer, das in seinem Jackett verborgen war.
Zehn Meilen entfernt vollführte LuAnn fast die gleiche Bewegung, als sie den Sicherungsbügel ihrer 44er umlegte.
Die Dämmerung senkte sich herab, als LuAnn über den laubbedeckten Waldweg fuhr. Die Gegend war sehr dunkel. In der vergangenen Nacht hatte es heftig geregnet. Ein Schwall Wasser klatschte gegen die Windschutzscheibe, als LuAnn durch eine tiefe Pfütze fuhr. Erschreckt fuhr sie zusammen.
Dann erschien das Cottage vor ihr. Sie fuhr langsamer und suchte die Umgebung mit Blicken ab. Sie sah keinen Menschen, auch kein Auto. Aber das hatte nichts zu bedeuten. Jackson schien nach Lust und Laune auftauchen und verschwinden zu können, ohne größere Wellen zu hinterlassen als ein Kieselstein, den man ins Meer warf.
LuAnn parkte den BMW vor dem baufälligen Schuppen und stieg aus. Sie kniete sich nieder und betrachtete den Erdboden. Es waren keine anderen Reifenspuren zu sehen. Die aber hätten sich im Schlamm deutlich abgezeichnet.
LuAnn betrachtete das Äußere des Cottage. Jackson war schon drinnen. Da war sie sicher. Es war, als verströmte der Mann einen Geruch, den nur sie wahrnehmen konnte: wie ein Grab, modrig und abgestanden. Noch einmal holte sie tief Luft und ging zur Tür.
Sobald LuAnn das Cottage betreten hatte, musterte sie das bescheidene Innere.
»Sie sind früh dran«, sagte Jackson und trat aus dem Schatten. Er besaß dasselbe Gesicht wie bei jeder ihrer persönlichen Begegnungen. In dieser Hinsicht liebte Jackson die Beständigkeit. Er trug eine Lederjacke, Jeans und eine schwarze Skimütze auf dem Kopf, dazu dunkle Wanderstiefel. »Aber wenigstens sind Sie allein.«
»Ich hoffe, ich kann von Ihnen das gleiche sagen.« LuAnn trat einen Schritt zur Seite, so daß sie nicht mehr die Tür, sondern die Wand im Rücken hatte.
Jackson deutete ihre Bewegung richtig und lächelte. Er verschränkte die Arme vor der Brust, schürzte die Lippen und lehnte sich an eine Wand. »Sie können jetzt mit Ihrem Bericht anfangen«, sagte er.
LuAnn behielt die Hände in den Jackentaschen, eine Faust um die Pistole gelegt. Es gelang ihr, die Mündung durch den Stoff auf Jackson zu richten.
Obwohl diese Bewegung nahezu unauffällig gewesen war, legte Jackson den
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