Die Versuchung
verbringen Sie den Rest Ihres Lebens an einem sonnigen Strand.«
»Wie komme ich nach New York?«
»Eine gute Frage, um deren Beantwortung ich mich aber schon gekümmert habe. Es gibt in der Nähe Ihres Wohnorts keinen Flughafen, aber eine zentrale Bushaltestelle. Von dort nehmen Sie den Bus zum Bahnhof in Atlanta. Dort hält der Zug der Amtrak-Crescent-Linie. Der Bahnhof in Gainsville ist zwar näher, aber dort werden keine Fahrkarten verkauft. Die Bahnfahrt dauert ziemlich lange, ungefähr achtzehn Stunden. Der Zug hält sehr oft. Aber einen Großteil der Strecke können Sie schlafen. Der Zug fährt direkt nach New York. Sie brauchen nicht umzusteigen. Ich würde Sie ja in ein Flugzeug nach New York setzen, aber das ist komplizierter. Sie müssen sich ausweisen, und – offen gesagt – ich will Sie noch nicht so früh in New York haben. Am Bahnhof wird eine auf Ihren Namen reservierte Karte für Sie bereit liegen. Sie können übermorgen fahren, gleich nach der Ziehung.«
Vor LuAnns geistigem Auge tauchte das Bild des auf dem Boden liegenden Duane und des Mannes auf, der versucht hatte, sie umzubringen. »Ich weißt nicht, ob ich so lange hier bleiben will.«
»Warum nicht?« fragte Jackson verblüfft.
»Das ist meine Sache«, antwortete sie schroff. Dann wurde ihr Tonfall weicher. »Na ja, falls ich tatsächlich gewinne, will ich nicht hier sein, wenn die Leute es erfahren. Das ist der Hauptgrund. Die würden sich wie Wölfe auf ein Lamm stürzen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Das wird nicht geschehen. Sie werden erst bei der offiziellen Präsentation in New York als Gewinnerin bekanntgegeben. Wenn Sie dort eintreffen, wird jemand Sie abholen und in die Hauptstelle der Lotteriegesellschaft bringen. Man wird Ihr Los überprüfen und den Gewinn bestätigen. Die Pressekonferenz findet am Tag darauf statt. Früher hat es wochenlang gedauert, bis der Gewinner ermittelt war. Mit der heutigen Technologie braucht man nur ein paar Stunden.«
»Und was ist, wenn ich heute mit dem Wagen nach Atlanta fahre und den Zug nehme?«
»Sie haben ein Auto? Meine Güte, was wird Duane sagen?« Der Spott in Jacksons Stimme war unüberhörbar.
»Das ist ja wohl mein Problem, oder?« fuhr LuAnn ihn an.
»Wissen Sie, LuAnn, Sie könnten ruhig ein bißchen dankbarer sein. Oder ist es für Sie eine Selbstverständlichkeit, daß jemand Sie reicher macht, als Sie sich je im Leben hätten träumen lassen?«
LuAnn schluckte. Ja, sie würde reich sein. Durch Betrug. »Ich bin Ihnen ja dankbar«, sagte sie langsam. »Es ist nur so, daß ich mich entschlossen habe, alles zu ändern. Mein ganzes Leben. Und das von Lisa. Plötzlich ist alles so ganz anders für mich … da schwirrt mir einfach der Kopf.«
»Natürlich, das verstehe ich. Aber denken Sie daran, daß all diese Veränderungen überaus erfreulich für Sie sind. Es ist ja nicht so, als müßten Sie ins Gefängnis.«
LuAnn kämpfte gegen den Frosch im Hals und biß sich auf die Unterlippe. »Kann ich nicht doch schon heute den Zug nehmen? Bitte.«
»Warten Sie einen Moment.« Jackson legte den Hörer neben den Apparat. LuAnn schaute nach vorn. Ein großer blauer Polizeiwagen stand am Straßenrand. Das Radargerät ragte aus der Tür. LuAnns Blick huschte zum Tacho, und sie nahm den Fuß etwas vom Gas, obgleich sie unterhalb des erlaubten Tempolimits fuhr. Erst nachdem sie einige hundert Meter weiter war, atmete sie auf. Dann meldete Jackson sich wieder. Seine plötzlich abgehackte Sprechweise überraschte LuAnn.
»Der Crescent fährt um neunzehn Uhr fünfzehn in Atlanta ein und ist morgen um dreizehn Uhr dreißig in New York. Von dort, wo Sie jetzt sind, fahren Sie nur ein paar Stunden nach Atlanta.« Er machte eine kurze Pause. »Aber Sie werden Geld für die Fahrkarte brauchen und für sonstige Ausgaben während der Fahrt.«
LuAnn nickte, als säße sie Jackson gegenüber. »Ja«, sagte sie und kam sich plötzlich dreckig vor, wie eine Hure, die nach getaner Arbeit um eine kleine Zulage bittet.
»In der Nähe des Bahnhofs ist ein Büro der Western Union. Dorthin überweise ich Ihnen telegrafisch fünftausend Dollar.« LuAnn verschlug es den Atem, als sie die Summe hörte. »Sie erinnern sich doch an mein ursprüngliches Jobangebot? Nun, bezeichnen wir das Geld einfach als Ihr Gehalt für gute Arbeit. Sie müssen sich nur ausweisen.«
»Ich habe keinen Ausweis.«
»Führerschein oder Paß reichen auch.«
LuAnn hätte beinahe gelacht. »Paß? Den braucht man
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