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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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hätten im Hotel bleiben und uns die Ziehung dort anschauen sollen.« Charlie blickte sich nervös um. »Jackson würde mich umbringen, wenn er wüßte, daß wir hier sind. Ich habe strikte Anordnung, niemals ›Klienten‹ herzubringen.«
    »Hier« war die Zentrale der Lotterie-Gesellschaft der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie befand sich in einem neuen, modernen Gebäude, einem Wolkenkratzer, spitz wie eine Nadel, an der Park Avenue, Nähe Sixth Street. Der riesige Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Es wimmelte von Fernsehkorrespondenten mit Mikrofonen in den Fäusten, von Kamerateams, von Reportern aller großen Illustrierten und Zeitungen.
    In der Nähe der Bühne drückte LuAnn Lisa an die Brust. Sie trug die Brille, die Charlie ihr gekauft hatte, dazu eine Baseballmütze, mit dem Schirm nach hinten, weil sie darunter ihre langen Haare hochgesteckt hatte. Ihre bemerkenswerte Figur war unter dem knöchellangen Trenchcoat verborgen.
    »Keine Bange, Charlie. Kein Mensch wird sich in dieser Verkleidung an mich erinnern.«
    Er schüttelte den Kopf. »Mir gefällt es trotzdem nicht.«
    »Ich mußte einfach hierher kommen und es mir anschauen. Das ist doch ganz was anderes, als sich diese Sache in einem Hotelzimmer im Fernseher anzusehen.«
    »Aber Jackson ruft wahrscheinlich sofort nach der Ziehung im Hotel an«, meinte Charlie mürrisch.
    »Ich sage ihm einfach, daß ich eingeschlafen bin und das Telefon nicht gehört habe.«
    »Na, toll.« Er dämpfte die Stimme. »Sie gewinnen mindestens fünfzig Millionen Dollar und schlafen ein!«
    »Aber ich weiß doch schon, daß ich gewinnen werde. Was ist dann so aufregend daran?« gab sie gelassen zurück.
    Charlie fiel keine passende Antwort darauf ein. Er schwieg und nahm den Saal und die Besucher genau in Augenschein.
    LuAnn blickte auf die Bühne, wo auf einem Tisch das Ziehungsgerät stand. Es war knapp zwei Meter lang und bestand aus zehn großen Röhren. Jede war mit dem Korb verbunden, in dem sich die Kugeln befanden, auf denen die Ziffern standen. Sobald die Maschine eingeschaltet war, wirbelte Druckluft die Kugeln durcheinander, bis eine den Weg durch die winzige Luke fand, in die Röhre fiel und durch eine Spezialeinrichtung dort festgehalten wurde. War eine Kugel erst gefallen, schaltete der Korb sich automatisch ab, und die Ziehung ging beim nächsten weiter. Auf diese Weise wurden nacheinander alle zehn Gewinnzahlen ermittelt, wobei die Spannung im Publikum immer mehr stieg.
    Die Leute blickten erwartungsvoll auf ihre Lose. Viele hielten mindestens ein Dutzend Scheine in der Hand. Ein junger Mann hatte einen aufgeklappten Laptop vor sich. Über den Bildschirm liefen Hunderte von Zahlenkombinationen, die auf den Losen standen, die er gekauft hatte, und nun ging er noch einmal sein elektronisches Inventar durch. LuAnn brauchte gar nicht erst auf ihr Los zu schauen. Sie kannte die Zahlen auswendig: 1008150821. Es waren ihr eigener und Lisas Geburtstag sowie das Alter, das LuAnn bei ihrem nächsten Geburtstag erreichen würde. Sie hatte kein schlechtes Gewissen mehr, als sie die hoffnungsvollen Mienen auf den Gesichtern um sich herum sah, die Lippen, die sich in stummem Gebet bewegten, je näher der Augenblick der Ziehung rückte. LuAnn würde mit der Enttäuschung der anderen fertig werden. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, und ihr Plan stand fest, und diese Entscheidung hatte ihr unglaubliche Kraft gegeben und war der Grund dafür, daß sie nun inmitten dieses Menschenmeeres stand, statt sich unter dem Bett im Waldorf zu verkriechen.
    Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ein Mann die Bühne betrat. Sofort verstummte die Menge. LuAnn wäre nicht erstaunt gewesen, wäre Jackson dort oben erschienen. Doch der Mann war jünger und sah viel besser aus. Für einen Moment fragte sich LuAnn, ob er mit Jackson unter einer Decke steckte. Sie wechselte ein verkniffenes Lächeln mit Charlie. Eine Blondine in kurzem Rock, schwarzen Strümpfen und hochhackigen Pumps trat zu dem Mann und stellte sich vor das komplizierte Ziehungsgerät, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
    Der Mann gab eine kurze, präzise Erklärung ab. Die Fernsehkameras waren auf sein sympathisches Gesicht gerichtet. Die Ziehung würde gleich beginnen, erklärte er und begrüßte alle, die erschienen waren. Dann machte er eine bedeutungsvolle Pause, während er den Blick theatralisch über das Publikum schweifen ließ, um dann die große Sensation des Abends zu verkünden: Der

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