Die Versuchung
durchgab.
Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, steckte er sich noch eine Zigarette an. »Ach, zum Teufel. Ich kenne keinen Menschen, der das Angebot ablehnen würde, das man Ihnen gemacht hat. Sie wären schön dumm gewesen, hätten Sie nein gesagt.« Er machte eine Pause und spielte mit dem Feuerzeug. »Ich kenne Sie zwar nicht sehr gut, aber ich glaube, ich weiß, wie Sie sich reinwaschen könnten, zumindest vor sich selbst. Obwohl Sie das wirklich nicht nötig haben.«
LuAnn schaute ihn gespannt an. »Wie kann ich das?«
»Nehmen Sie einen Teil des Geldes, und helfen Sie damit anderen Menschen«, sagte er schlicht. »Vielleicht durch eine öffentliche Stiftung oder so was. Ich will damit aber nicht sagen, daß Sie an dem Geld keinen Spaß haben sollen. Denn ich finde, das haben Sie verdient«, fügte er hinzu. »Ich habe einige Hintergrundinformationen über Sie bekommen. Sie hatten nicht gerade ein leichtes Leben.«
LuAnn zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich durchgeschlagen.«
Charlie setzte sich neben sie. »Genau so ist es, LuAnn. Sie sind eine Überlebenskünstlerin. Deshalb werden Sie auch das hier überleben.« Er blickte ihr in die Augen. »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen – jetzt, wo ich Ihnen so viel über mich erzählt habe?«
»Das kommt auf die Frage an.«
»Na gut.« Er nickte. »Wie ich schon sagte, habe ich mich ein bißchen mit Ihrem Vorleben befaßt. Und nun frage ich mich, wie Sie sich je mit einem Kerl wie Duane Harvey einlassen konnten. Bei dem steht ›Verlierer‹ doch auf der Stirn geschrieben.«
LuAnn dachte an Duane, wie der schlanke Mann tot mit dem Gesicht auf dem schmutzigen Teppich lag und wie er gestöhnt hatte, ehe er vom Bett heruntergefallen war, als hätte er sie um Hilfe angefleht. Doch sie hatte auf seinen Hilferuf nicht reagiert. »Duane ist kein schlechter Kerl. Auch er mußte eine Menge Schicksalsschläge einstecken.« Sie erhob sich und ging auf und ab. »Damals ging es mir verdammt mies. Meine Mom war gerade erst gestorben. Ich habe Duane kennengelernt, als ich noch darüber nachdachte, was ich nun mit meinem Leben anfangen sollte. Entweder haut man so schnell wie möglich aus der Gegend ab, in der ich zu Hause bin, oder man verbringt dort sein ganzes Leben. Soviel ich weiß, ist noch nie jemand freiwillig nach Rikersville County gezogen.« Sie holte tief Luft und fuhr fort: »Duane war gerade in den Wohnwagen gezogen, den er gefunden hatte. Damals hatte er einen Job. Er hat mich gut behandelt. Wir haben sogar von Heirat gesprochen. Duane war anders als die anderen.«
»Wollten Sie wirklich zu den Leuten gehören, die in dem County geboren wurden und dort auch sterben?«
Entsetzt schaute sie ihn an. »Natürlich nicht. Wir wollten weg. Ich wollte es, und Duane auch. Jedenfalls hat er es gesagt.« Sie blieb stehen. »Dann kam Lisa. Und damit hat sich für Duane alles verändert. Ich glaube nicht, daß ein Kind in seine Pläne paßte. Aber wir hatten Lisa nun mal bekommen, und für mich ist sie das Beste, das mir je passiert ist. Aber von da an lief es zwischen Duane und mir überhaupt nicht mehr. Ich mußte fort, das war mir klar. Aber ich wußte noch nicht genau, wie ich das anstellen sollte. Tja, und da hat Mr. Jackson angerufen.«
LuAnn blickte aus dem Fenster auf die funkelnden Lichter vor dem dunklen Hintergrund. »Jackson hat gesagt, daß es bestimmte Bedingungen gibt. Was das Geld angeht. Ich weiß, daß er es mir nicht aus Nächstenliebe schenken will.« Sie schaute über die Schulter zu Charlie.
»Nein, da haben Sie vollkommen recht«, meinte er.
»Haben Sie eine Ahnung, was für Bedingungen das sind?«
Charlie schüttelte bereits den Kopf, ehe LuAnn die Frage beendet hatte. »Ich weiß nur, daß es so viel Geld ist, daß sogar Sie nicht wissen werden, was Sie damit anfangen sollen.«
»Und ich kann das Geld ausgeben, wie ich will, stimmt’s?«
»Stimmt. Es gehört Ihnen, ohne Einschränkungen. Sie können Saks Fifth Avenue oder Tiffanys leerkaufen. Oder in Harlem ein Krankenhaus bauen. Das ist allein Ihre Entscheidung.«
LuAnn schaute wieder aus dem Fenster. Langsam trat Glanz in ihre Augen, als die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, die New Yorker Skyline plötzlich winzig erscheinen ließen.
Und genau in diesem Augenblick funkte es bei LuAnn Tyler. Selbst das Häusermeer kam ihr mit einem Mal viel zu klein vor, um all die Dinge aufzunehmen, die sie mit ihrem Leben tun wollte. Mit dem Geld.
KAPITEL 12
»Wir
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