Die Versuchung
Lotterie-Hauptgewinn als Pauschalsumme ausgezahlt, wobei ein Jahr Steueraufschub gewährt wurde, um mehr Spieler anzulocken; denn in der Werbung wurde der Aufschub dramatisch hochgespielt, wobei das Wort »steuerfrei« ganz groß geschrieben wurde. Erst im Kleingedruckten wurde die Öffentlichkeit darüber aufgeklärt, daß die Steuer auf die Gewinnsumme lediglich für ein Jahr ausgesetzt war.
Früher hatte man die Gewinner über einen bestimmten Zeitraum hinweg ausbezahlt und die Steuer automatisch einbehalten. Nun aber waren sie allein auf sich gestellt, vor allem im Hinblick auf die Frage, auf welche Weise sie die Steuern bezahlen sollten. Wie Donovan herausgefunden hatte, waren einige Gewinner sogar der Meinung gewesen, überhaupt keine Steuern zahlen zu müssen, und hatten das Geld mit vollen Händen ausgegeben.
Weiter kam hinzu, daß sämtliche Erträge aus der Gewinnsumme steuerpflichtig waren – und das nicht zu knapp. Die Regierung führte der Öffentlichkeit die Gewinner mit einem freundlichen Schulterklopfen und einem dicken Scheck vor. Doch waren diese ›Glücklichen‹ erst aus dem Licht der Öffentlichkeit verschwunden und nicht gewieft genug, komplizierte Vermögensanlagen zu tätigen, kamen die Schergen des Finanzamts und nahmen ihnen auch den letzten Cent, den sie besaßen – alles unter dem Deckmantel legaler Bußgeldvorschriften und Gott-weiß-welcher Gesetze. Mit dem Ergebnis, daß die Millionäre von einst noch ärmere Schweine waren als zuvor.
Es war ein Spiel, das auf die völlige Vernichtung der Gewinner ausgerichtet war – was von der Regierung dadurch verschleiert wurde, daß alles nur zum »Wohle der Bürger« geschähe. Es ist das Spiel des Teufels, und unsere eigene Regierung zieht die Fäden, dachte Donovan. Und sie spielt dieses Spiel nur aus einem einzigen Grund: um Geld zu scheffeln. Wie alle anderen auch.
Donovan hatte in anderen Zeitungen Berichte gelesen, in denen das Problem heruntergespielt oder gar völlig vertuscht wurde, indem man lediglich vom glücklichen Leben der Neu-Millionäre berichtete. Doch sobald die Medien einen echten Angriff unternahmen oder das staatliche Lotto gar als riesigen Schwindel entlarvten, wurden von den Lotteriebossen sämtliche Informationen sofort mit einer Flut von Statistiken überschüttet, die zeigen sollten, wieviel Gutes die Lotteriegelder bewirkten. Die Öffentlichkeit wiegte sich in dem Glauben, das Geld sei für Schulen, Straßenbau und Ähnliches bestimmt; dabei verschwand ein Großteil unter der Rubrik »allgemeine Ausgaben« und endete an einigen sehr interessanten Orten, die mit dem Kauf von Schulbüchern und dem Ausbessern von Straßenschäden nicht das geringste zu tun hatten. Lotteriebosse erhielten fette Gehaltsschecks und noch fettere Prämien. Politiker, die sich für das Lotto stark machten, sahen reichlich Gelder in ihre bundesstaatlichen Kassen fließen.
Die ganze Sache stank zum Himmel, und Donovan fand, es war höchste Zeit, daß die Wahrheit ans Licht kam. Seine Feder würde die Glücklosen verteidigen, so wie er es seine gesamte Karriere hindurch getan hatte. Wenn schon nichts anderes, wollte Donovan zumindest bewirken, daß die Regierung beschämt über den moralischen Aspekt dieser riesigen Steuerquelle nachdachte. Wahrscheinlich würde sich nicht das geringste ändern, doch Donovan wollte sein Bestes geben.
Er widmete sich wieder dem Stapel Dokumente. Er hatte bereits seine Theorie über die Konkurse während der letzten fünf Jahre überprüft. Die Papiere, die nun vor ihm lagen, enthielten die Ergebnisse aus weiteren zehn Jahren.
Donovan schaute sich an, was aus den Lotteriegewinnern eines jeden Jahres geworden war, und die Ergebnisse waren beinahe identisch. Es blieb dabei: Stets waren neun von zwölf Gewinnern pleite gegangen. Das war mehr als verblüffend. Zufrieden lächelnd blätterte Donovan die Seiten durch. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen. Die Sache war kein Windei.
Plötzlich hielt er inne und starrte auf eine Seite. Sein Lächeln schwand. Auf dem Blatt waren die zwölf Lotteriegewinner aufgelistet, die vor genau zehn Jahren bei den monatlichen Ausspielungen das große Los gezogen hatten. Und was Donovan da sah, war unmöglich. Da mußte irgendein Fehler vorliegen. Er griff zum Telefon und rief die Agentur an, die er mit den Nachforschungen für seinen Artikel beauftragt hatte. Nein, es sei kein Irrtum möglich, sagte man ihm. Sämtliche amtlichen Konkursverfahren seien der Öffentlichkeit
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