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Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)

Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)

Titel: Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Brockway
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davon hoch. Es war überraschend leicht und brüchig. Sie deutete mit dem Strahl der Taschenlampe darauf und ihr Gesicht glättete sich, als sie begriff. Sie drehte es um. Es war ein mumifizierter Ibis, die zerfallenen Leinentücher entblößten den unverkennbaren Schnabel und die langen Beine des heiligen Vogels. Sie hob ein weiteres Bündel hoch. Es war noch ein Ibis und er war genauso zerbrechlich. Nickend leuchte sie die Wand entlang.
Die Oase der kleinen Vögel.
    Aber auch, rief sie sich in Erinnerung, »Heim eines toten Königspaares«. Die meisten Wissenschaftler waren davon ausgegangen, dass dies ein Hinweis auf die Vorgeschichte der Stadt wäre, der sich vielleicht auf ihre ersten Regenten bezog. Offensichtlich war diese Bezeichnung jedoch wörtlich gemeint gewesen. Zerzura war eine Grabstätte. Sie leuchtete die Wand ab und erwartete, einen Durchgang zu sehen, der aus dem Zimmer führte. Und tatsächlich fand sie einen. Wäre das Grab noch unberührtgewesen, dann wäre die Tür versiegelt. Doch das war sie nicht. Geröll lag beiderseits der Öffnung.
    Nach einem raschen Blick auf den noch immer blauen Himmel ging Ginesse hindurch in einen Raum, der dreimal größer war, als der, in den sie gestürzt war. Er war leer, nicht einmal ein zerbrochenes Stück Holz war geblieben, und die Wände, die eigentlich mit Zeichnungen übersäht sein sollten, waren kahl. Vermutlich war das hier ein Vorzimmer gewesen, gefüllt mit den Dingen, die man brauchte, um ein Leben im Jenseits genießen zu können: Schreine und Möbel, Pferde, Diener, Betten und Liegen, Streitwagen und Boote.
    Sie erspähte einen weiteren Durchgang. Auch dieser war aufgebrochen worden und auch auch der Raum dahinter erwies sich als leer. War es eine Schatzkammer gewesen? Oder eine Grabkammer? Es war unmöglich zu sagen. Nichts war geblieben, das einen Hinweis auf seine Verwendung gegeben hätte. Genau genommen war er sogar zu leer. Als wäre alles pflichtbewusst entfernt worden, äußerst effizient, mit kühler Berechnung und jeder Menge Zeit. Das hier glich nicht den geplünderten Gräbern, die sie bisher zu Gesicht bekommen hatte. Dort war alles zertrümmert und achtlos durcheinandergeworfen worden von den angsterfüllten Räubern, die die Schätze hektisch nach den wertvollsten tragbaren Gegenständen durchsucht hatten.
    Sie sah sich um. Dieser Raum führte nirgendwo hin.
    Das Taschenlampenlicht flackerte über die nackten Wände. Angst legte Schatten auf ihre Schritte, als siein den Raum zurückkehrte, in den sie gefallen war. Die blaue Scheibe an der Decke war nicht mehr ganz so hell, sie sah trüber aus. Dunkler. Sie trat direkt unter die Öffnung und sah hoch. Sand rieselte herab und noch mehr Sand wurde über die Öffnung geweht ...
    Sie furchte die Stirn. War es nur eine steife Brise, die den Sand aufwirbelte, oder war es mehr ...? Ein Sandsturm? Sie kämpfte die Angst nieder, die sich in ihrem Magen zusammenballte. Es war zu früh für Sandstürme. Doch andererseits gab es Berichte darüber, dass ein unvorhersehbarer Sandsturm König Kambyses’ gesamte Armee, bestehend aus fünfzigtausend Männern, verschluckt hatte. Bis zum heutigen Tag waren sie spurlos verschwunden geblieben.
    Sie sah wieder hoch zu dem kleinen Loch über sich. Ein Sandsturm konnte, wenn er kräftig genug war, ganze Dünen verschieben. Ein Sandsturm könnte diese Kammer unter sich begraben und sie im Sand ertrinken lassen. Selbst im besten Fall, den schwachen Strahl ihrer Taschenlampe würde er schlucken.
    Schnell erwog sie ihre Möglichkeiten. Viele waren es nicht. Sie überlegte, ob sie vielleicht die mumifizierten Ibisse zu einem Podest aufstapeln sollte, verwarf diesen Einfall jedoch wieder. Sie würden ihr Gewicht niemals tragen, sie würden unter ihr zerbröseln. Es war unmöglich, durch dieses Loch nach draußen zu klettern.
    Sie setzte sich direkt unter das Loch. Etwa zum zehnten Mal, seit sie Kairo verlassen hatte, dachte sie: »Ich könnte hier sterben.« Fast lächelte sie, der Gedanke war ihrmittlerweile beinahe vertraut und schon reichlich abgedroschen. Allerdings könnte es diesmal tatsächlich stimmen. Besonders, wenn sich da draußen ein Sandsturm zusammenbraute.
    Denn dieses Mal war Jim Owens meilenweit entfernt. Dieses Mal würde Jim Owens sie nicht retten. Dieses Mal suchte Jim Owens nicht einmal nach ihr.
    Sie war hier, ganz allein in Zerzura. Und abgesehen von den Scharen toter Vögel war es so leer wie ihr Triumph.
    Was tat sie eigentlich hier?

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