Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
darüber gewundert und er fragte sich ganz besonders, welche Farbe wohl ihre Augen hatten. Im Hotelzimmer war es unmöglich gewesen, den genauen Ton zu bestimmen, aber diese Augen waren auf jeden Fall nicht hell und blass, sondern dunkel und intensiv, und sie wurden von langen, geschwungenen Wimpern umrahmt.
Auch noch ein paar andere Dinge waren ihm letzte Nacht aufgefallen. Als ihr die Decke auf die Hüften hinuntergerutscht war, hätte er schon blind sein müssen, um die Wölbung ihrer vollen Brüste nicht zu bemerken, die sich unter dem dünnen Baumwollhemd abgezeichnet hatten. Er wünschte fast, er wäre blind gewesen. Er wollte in ihr nichts anderes sehen als die Möglichkeit, seine Schuld zu begleichen. Aber sie hatte ausgesehen wie ... Er schüttelte den Kopf und verbot sich, seiner Vorstellungskraft noch weiter zu folgen. Sie hatte ausgesehen wie eine Menge Ärger, so einfach war das.
Er hatte erwartet, Pomfreys Braut würde eine prüde Frömmlerin sein, die ihr Leben innerhalb sehr deutlicher und eng gesteckter Grenzen verbrachte. Er hatte erwartet, sie wäre so fantasievoll und heißblütig wie ein Karpfen. Auf keinen Fall hätte er sich diese Frau als eine temperamentvolle, feminine Vollblutromantikerin vorgestellt. Doch genau das war Mildred Whimpelhall.
Ohne jeden Grund hatte sie ihn in die Rolle eines geächteten Cowboys gesteckt. Nachdem er begriffen hatte, dass er rein gar nichts tun konnte, um sie von dieser Meinung abzubringen, hatte er beschlossen, dass er genauso gut einen Vorteil daraus schlagen konnte. Sie darum zu
bitten
, mit ihm zu kommen, hätte absolut nichts gebracht. Wenn sie nun mal unbedingt glauben wollte, er sei ein Schurke, dann würde er eben ein Schurke sein. Solange sie nicht genau wusste, wozu er fähig war, würde sie sich vielleicht nicht allzu widerspenstig geben. Was gut war, denn er ging jede Wette ein, dass sie verteufelt widerspenstig sein konnte.
Er musste unfreiwillig lächeln. Sie hatte ausgesehen wie ein frisch ausgebrütetes Eulenküken, wie sie da aus dem Nest ihrer Decken hervor mit großen Augen zu ihm aufgesehen hatte, ein bisschen verängstigt, ein bisschen neugierig ...
»Ich habe getan, was möglich war.«
Jim sah auf, als Hajis Stimme ihn aus seinen Tagträumen riss.
»Die Crew«, erklärte Haji weiter und nickte zu den vier Männern hinüber, die auf dem Dock auf und ab liefen, ihre Ausrüstung aufluden und das Schiff bereit zum Ablegen machten. »Sie sind Nubier. Ich weiß, dass du kein Nubisch sprichst, aber sie waren das Beste, was ich auf die Schnelle zusammentrommeln konnte. Der Kapitän kann etwas Englisch.«
Jim nickte. Seine Englischkenntnis war vermutlich der einzige Vorzug des Kapitäns. Er war vor einer halben Stunde sturzbetrunken hier aufgetaucht und versuchte seitdem, wieder nüchtern zu werden. Der Nubier hatte einen Brustumfang wie ein Fass, und noch während Jim ihn beobachtete, rülpste er und brüllte einem Jungen einen Befehl zu. Der rannte daraufhin zum Achterdeck und begann, das Großsegel zu hissen. Leider schien er alles falsch zu machen, denn er erntete lautes Wutgeheul.
»Himmel, wenn wir es über den Fluss schaffen ohne abzusaufen, wäre das ein Wunder«, brummte Jim. »Wie viel zahle ich denen denn?«
»Jedem zwanzig Piaster pro Tag. Und noch mal fünfzig extra für den Kapitän.«
»Herrgott noch mal, Haji.«
»Komm schon, James. Ist doch nicht dein Geld, sondern das von Colonel Lord Pomfrey. Du musst ihm einfach nur die Rechnung überreichen. Und wenn ich du wäre, würde ich sie gnadenlos überziehen.« Er sah zu Mildred Whimpelhall hinüber und grinste. »Ich glaube, so was nennt man Gefahrenzulage.«
Sein Lächeln verflog. »Aber kein Geld der Welt ist es wert, dass du dein Leben aufs Spiel setzt. Das hier ist
verrückt
,
Habib
. LeBouef jagt vielleicht nicht höchstpersönlich hinter dir her, aber er wird einen Preis auf deinen Kopf aussetzen. Jeder Halunke im Umkreis von fünfzig Meilen wird nach dir Ausschau halten.«
»In der Wüste wird mir ja wohl kaum jemand hinterherschleichen«, entgegnete Jim, auch wenn alles, was Haji sagte, ihm auch schon durch den Kopf gegangen war.
»Und Miss Whimpelhall tust du damit auch keinen Gefallen, James. Du machst sie nur zu einer Zielscheibe.«
Auch daran hatte er bereits gedacht. »Wenn LeBouef ihr etwas antun würde, hätte er die gesamte britische Armee auf den Fersen und das weiß er ganz genau.«
»Quatsch!«, fuhr ihm Haji in die Parade. »Sie ist Pomfreys Braut.
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