Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
loswerden.
Fieberhaft begann sie, die Bänder und Knöpfe zu lösen. Ihre Brust schmerzte, ihre Lungen fühlten sich an, als wollten sie bersten, aber sie wusste, wenn sie ausatmete, würden ihr nur Sekunden bleiben, bis sie ihre Lungen wieder füllen musste. Vorsichtig ließ sie einen schmalen Luftblasenstrom zwischen den Lippen entweichen und zerrte weiter an ihren Röcken. Ihr Kopf begann zu schwirren und ihre Finger wurden allmählich taub ...
Dann packten sie plötzlich zwei kräftige Hände und sie wurde durch die Strömung nach oben gerissen. Ihr Kopf durchstieß die Wasseroberfläche und sie würgte und schnappte nach Luft. Starke Arme hoben sie hoch, ein weiteres Paar Hände hievte sie an Bord der
Felucca
und schleuderte sie an Deck wie ein volles Fischernetz.
Sie hustete und spuckte Wasser über das Deck. Dann wurde sie gegen eine harte, breite Brust gelehnt und ihr Kopf fiel in die schützende Mulde zwischen einem warmen Hals und einer muskulösen Schulter.
»Geht es Ihnen gut?« Seine Stimme war barsch und mitleidslos. Er schüttelte sie leicht. »
Geht es?
«
»Ja.«
Sie öffnete die Augen und blinzelte durch das Schlammwasser, das ihr noch immer übers Gesicht lief, zu Jim Owens hinauf, der sie ansah. Natürlich. Sie hatte es im selben Moment gewusst, in dem er sie berührt hatte. Seine Züge waren eine steinerne, unergründliche Maske, der Blick seiner grauen Augen strich über ihr Gesicht, ihr Haar und ihren Mund und fand schließlich ihre Augen.
»Sie sind mir nachgesprungen«, murmelte sie schwach und leicht verwundert.
Das schien ihn zu amüsieren, denn einer seiner Mundwinkel hob sich leicht. Sie deutete das als ein Lächeln. »Dachten Sie, ich würde es nicht tun?«
Sie antwortete, ohne nachzudenken. »Ich habe es nicht von Ihnen erwartet.«
»Ich hatte Sie auch nicht erwartet.« Seine Stimme klang merkwürdig, irgendwie verblüfft.
»Werden Sie mich nach Fort Gordon bringen?«, fragte sie ohne viel Hoffnung. Natürlich würde er es nicht tun. All ihre Pläne waren gescheitert, all ihre Träume davongewischt vom Schwung einer Spiere.
»Ja«, sagte er resigniert. »Ich schätze schon.«
K APITEL 9
Sie war immer bei ihm, eine schlanke mädchenhafte Gestalt, ein fröhlicher, neugieriger weiblicher Geist, der ihm vor Augen führte, wie einsam sein Leben gewesen war.
aus dem Tagebuch von Ginesse Braxton
J im hielt den Blick stur auf sein Ruder gerichtet und vermied es, zu Mildred Whimpelhall hinüber zu sehen, die vor ihm auf dem Schandeck saß und ihre bloßen Füße über die Kante herunterbaumeln ließ. Er wünschte, sie würde das lassen. Es machte ihn nervös, sie da sitzen zu sehen, als fordere sie die Flussgeister zu einem weiteren Versuch heraus, sie zu ertränken. Sie schien Gefahren einfach überhaupt nicht wahrzunehmen und hatte das Missgeschick von gestern anscheinend schon völlig vergessen. Als wäre es ganz normal, dass man mal in den Nil fiel.
Abgesehen von ihren nackten Füßen trug sie wieder die gleiche, sehr warm aussehende Gabardinereiseuniform. Den gestrigen Tag hatte sie zum größten Teil in ein langes Segeltuch gewickelt verbracht, während ihre Kleider am Mast trockneten. Das Bündel, das Haji gebracht hatte, war von der unfähigen Crew unter einem Haufen anderer Ausrüstungsgegenstände begraben worden. Doch auchdas hatte ihr scheinbar überhaupt nichts ausgemacht. Seit er zugestimmt hatte, sie nach Fort Gordon zu bringen, war sie nur noch gut gelaunt gewesen.
Er hatte ja auch kaum eine andere Wahl gehabt. Es war klar, sie würde die Reise mit oder ohne ihn wagen. Irgendjemand musste sich schließlich darum kümmern, dass sie heil durch die Wüste kam, und da er Pomfreys Forderung zugestimmt hatte, war dieser Jemand nun mal er. Ob zum Guten oder zum Schlechten, sie gehörte jetzt zu ihm ... bis er sie ihrem Verlobten übergab.
Eine leichte Brise kräuselte das Wasser und er sah zum Großsegel hinauf. Es blähte sich leicht, fiel dann aber wieder in sich zusammen. Der Wind, der kleine Segelschiffe normalerweise zuverlässig auch gegen die Strömung des Nils ans andere Flussufer brachte, hatte sie im Stich gelassen. Was bedeutete, er selbst und die nubischen Seemänner – diesen Haufen so zu bezeichnen war eindeutig eine Beleidigung für alle echten Seemänner – mussten jetzt die Aufgabe übernehmen, das Boot flussaufwärts zu manövrieren. Und das war harte, schweißtreibende Arbeit.
»Haben Sie schon einmal eine Postkutsche ausgeraubt?« Die Frage
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