Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
hinüber, der in ägyptischer Uniform vor einem sehr kleinen, getünchten Haus am Ende des Kais saß. Er schien zu schlafen.
»Und ich möchte, dass Sie einfach hier auf dieser Kiste sitzen bleiben. Genau dort, wo Sie jetzt sind. Gehen Sie nicht weg, sprechen Sie mit niemandem und
fassen sie nichts an
.«
Sie runzelte die Stirn.
»Meinen Sie, Sie schaffen das?«
»Was für eine alberne Frage.«
»Ja«, bestätigte er schlicht. »Es ist eine alberne Frage, aber
können
Sie das schaffen? Nur fünf Minuten lang?«
Betont überheblich zog sie Luft durch die Nase ein, wandte den Kopf ab und nickte.
»Gut.«
Sie drehte sich wieder zu ihm, doch er hatte sich bereits auf den Weg den Pier hinunter gemacht. Er warf einen Blick über die Schulter zu ihr zurück. Sie dachte, er hätte seine Meinung geändert, und wollte aufstehen, doch er sah sie so streng an, dass sie sich trübsinnig wieder auf eine der Kisten zurücksinken ließ. Die Crew hatte das Boot tatsächlich noch irgendwie entladen, bevor sie sich aus dem Staub machte.
Nicht ohne Bewunderung sah sie ihm dabei zu, wie er den alten Mann begrüßte und in ein Gespräch verwickelte. Er wirkte so gesund und männlich. Letzte Nacht badete er im Fluss, während sie weit ab vom Ufer festgemacht hatten. Und sie hatte ihn dabei gesehen, während sie versuchte, in dem improvisierten Zelt einzuschlafen, das die Crew auf seinen Befehl hin jede Nacht im Bug der
Felucca
aufbaute.
Ihr war zwar bewusst, dass es nicht sehr schicklich war, aus dem Zelt in Richtung der plätschernden Geräusche zu spähen, aber sie war noch nie besonders gut darin, einer Versuchung zu widerstehen. Und ehrlich gesagt hatte sie sich auch nicht besonders angestrengt. Ihr erschien es nur recht und billig, dass sie sich nun mit den resultierenden Schuldund Schamgefühlen herumschlagen musste, denn sein Anblick war atemberaubend gewesen. Er hatte hüfttief im dunklen Wasser gestanden und sich die breite Brust und die langen kräftigen Arme eingeseift. Dannließ er sich unter Wasser sinken und strich sich nach dem Auftauchen das nasse Haar aus dem Gesicht, während das Wasser glitzernd an seinem großen Körper hinabrann.
Er wirkte geschmeidiger, als sie sich vorgestellt hatte – und ja, sie schämte sich dafür, doch sie fragte sich, wie er wohl nackt aussah, und da sie sowieso schon Schuldgefühle hatte, war das ja jetzt auch egal. Die Linien seiner breiten Schultern liefen zu einer schmalen Taille und schön geformten Hüften zusammen, die im Wasser verschwanden. Das Mondlicht schimmerte in dem goldenen Flaum, der seine Brust und Unterarme bedeckte, und betonte das Muskelspiel seines Bauches, während er sich ein weiteres Mal einseifte und der dichte Schaum an seinem Körper hinabglitt ...
Abrupt richtete sich Ginesse auf und suchte hektisch nach etwas, mit dem sie sich Luft zufächeln konnte. Es war aber auch heiß hier in der Sonne. Sie suchte noch immer, als Mr Owens zurückkam.
»Ich muss schon sagen, Miss Whimpelhall, ich bin beeindruckt. Sie haben es tatsächlich geschafft, volle fünf Minuten lang nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Das muss ein Rekord sein.«
»Ganz und gar nicht«, gab sie schnippisch zurück. »Letztes Jahr habe ich ganze vierzehn Minuten geschafft.«
Das hatte er nicht erwartet. Seine dunklen Brauen zuckten überrascht in die Höhe und dann lachte er. Zum ersten Mal sah sie ihn richtig lachen. Er wirkte plötzlich jünger und längst nicht mehr so finster. Seine weißen Zähne blitzten, Fältchen bildeten sich in seinen Augenwinkeln und auf seinen Wangen erschienen tiefe Grübchen. Sie hatte ihn für gut über dreißig gehalten, doch jetzt musste sie diese Annahme korrigieren. Wahrscheinlich war er nicht einmal viel älter als sie selbst.
Fröhlich lächelte sie ihn an. Es gefiel ihr, dass sie ihn zum Lachen gebracht hatte. Das sollte er öfter tun.
»Der Polizist hat einen Jungen losgeschickt, der nach Pomfreys Männern Ausschau halten soll. Das hier ist eine Kleinstadt. Es wird nicht lange dauern.«
»Und was dann?«, wollte sie wissen.
»Dann?«, wiederholte er. »Dann übergebe ich den Soldaten die Fürsorge für Sie. Und von dem Moment an bin ich nur noch der Führer.« Sie war sich sicher, eine Spur von Erleichterung in seinem Gesichtsausdruck zu erkennen. War ihm ihre Gesellschaft denn so lästig gewesen? Es hatte doch nur drei Zwischenfälle gegeben. Jedenfalls nur drei größere Zwischenfälle. Das war doch eigentlich gar nicht so viel.
»Haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher