Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
überwerfen könnte.
»Diesen Rock und die Jacke ziehe ich jedenfalls nicht mehr an«, warnte sie ihn und wirkte halb verzweifelt und halb wütend. »Wenn Sie oder er mir irgendwoher einheimische Kleidung besorgen können, werde ich sie nur zu gerne anziehen, aber dieses zerlumpte Kostüm werde ich nicht tragen. Nie mehr!«
Sie meinte es ernst.
Jim wandte sich an den armen Polizisten, der so angsterfüllt um sich spähte wie eine Weihnachtsganz nach einer Axt. »Wo finde ich hier etwas Passendes zum Anziehen?«
»Bringen Sie sie dazu, wieder reinzugehen. Tun Sie irgendwas!«
Verdammt. Sie würde noch einen Aufruhr verursachen. Jim stellte sich neben den Polizisten und verstärkte so den menschlichen Sichtschutz um sie. »Hören Sie zu«, erklärte er ihr. »Sie dürfen so nicht gesehen werden. Sie müssen wieder hineingehen und warten, bis ich etwas gefunden habe um ihre ... ihre ...«, er gestikulierte in Richtung ihrer Beine.
»Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich lieber nicht rauskommen sollte.«
»Und da hatten sie auch völlig recht«, bestätigte er. »Gehen Sie wieder rein. Bitte.«
Ohne Widerworte wandte sie sich um und marschierte abermals ins Büro, wobei sich ihm die Sicht auf einen äußerst straffen Hintern bot. Ihr energischer Hüftschwung ließ ihm das Blut in den Ohren rauschen.
Mit leisem Ächzen machte er sich auf die Suche nach etwas – egal was – mit dem sie sich verhüllen konnte. Wenn sie es auf dieser Reise nicht selbst schaffte, ihn noch irgendwie umzubringen, dann würde es diese verdammte Hose fertig kriegen.
K APITEL 12
Das Gerüst seiner Hoffnungen, Träume, Sehnsüchte und Mühen stürzte um ihn herum zusammen. Er hatte auf Treibsand gebaut.
aus dem Tagebuch von Ginesse Braxton
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D er Junge kniete unter der
Mashrabiya
, einer mit aufwendigen Schnitzereien verzierten Abdeckung des Lüftungsflügels, und bot den wenigen Passanten auf der Wohnstraße nicht übermäßig eifrig die Reiskuchen seiner Schwester zum Kauf feil. Es spielte auch keine Rolle, ob er sie loswurde oder nicht, er war aus einem anderen Grund hier. Mit gespitzten Ohren lauschte er auf das, was im Zimmer über ihm geschah.
»Auf keiner Passagierliste der Züge, die Rom in letzter Zeit verlassen haben, steht ihr Name«, stellte Hajis Tante Magi klar. Sie durchbohrte ihn mit ihrem Blick, während er nervös vor Sir Roberts überladenem Schreibtisch stand.
Es war Jahre her, dass er zuletzt in diesem Studierzimmer gewesen war, doch es sah noch immer genauso aus wie damals. Die vollen Bücherregale, der abgewetzte orientalische Teppich, der zerkratzte und mit Tintenflecken übersäte Mahagonischreibtisch, die sorgsam zusammengerollten Papyri und die Tonfigürchen waren ihm wunderbar vertraut. Und obwohl der Grund für sein Hiersein nicht gerade erfreulich war, konnte er nicht anders, als sich irgendwie ... zuhause zu fühlen.
»Wir müssen Mr Braxton endlich ein Telegramm schicken«, erklärte Magi.
Er hatte
gewusst
, man würde ihn irgendwie dafür verantwortlich machen, dass der
Afrit
nicht aufgetaucht und ganz offensichtlich regelrecht verschwunden war. »Tante Magi, ich bin sicher ...«
»
Du
kannst dir über gar nichts sicher sein.« Magi, eine zierliche, dunkelhaarige Frau, deren faltenloses Gesicht ihr Alter nicht verriet, wirbelte zu ihm herum. »Wenn dem Mädchen irgendetwas zustößt ...«
»Aber Magi, Ginesse ist zweifellos in der Lage, sich die richtigen Zugverbindungen herauszusuchen, ohne dabei in Schwierigkeiten zu geraten«, sagte Sir Robert, der hinter seinem Schreibtisch saß, in beruhigendem Ton. Obwohl sein weißes Haar etwas dünner und seine Brauen ein wenig dichter geworden waren und seine Hände einpaar Leberflecken mehr aufwiesen, sah er mit fünfundachtzig nicht viel anders aus als mit siebzig. »Es ist zu früh, um ihre Eltern zu beunruhigen. Vielleicht hat sie noch einen kurzen Abstecher nach Griechenland unternommen? Das würde ...«
»Und
vielleicht
hat sie das auch nicht«, fiel ihm Magi ins Wort. »Warum ist sie überhaupt von Bord gegangen? Sie sagt nichts dazu. Das da sagt nichts darüber.« Wütend schlug sie auf das Telegramm. »Wir wissen gar nichts, außer dass sie nicht hier ist und dass wir keine Ahnung haben, wo sie steckt.«
»Sie wird es uns zweifellos erzählen, wenn sie erst in Ägypten ankommt«, versuchte es Sir Robert noch einmal. »Du solltest dem Mädchen etwas mehr Vertrauen
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