Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
Sie noch? Sie haben mich zu ihrem Kindermädchen ernannt, wenn sie die Ausgrabungsstätten von Mr Braxton besuchen durfte.«
»Kindermädchen?«, fragte Sir Robert verblüfft. »Hast du es so gesehen?«
Haji winkte ab und lächelte, um zu zeigen, dass er deswegen keinen Groll fühlte. »Nun ja, das war ich doch, oder nicht?«
»Nein«, Sir Roberts edelmütiges altes Gesicht nahm einen verletzten Ausdruck an. »Ich habe dich eher als eine Art großen Bruder für sie betrachtet. Und ich habe dich gebeten, in diesem Sinne auf sie achtzugeben, als Mitglied der Familie, nicht als Angestellter. Ich dachte, das wüsstest du.«
Haji erstarrte. Nein. Das hatte er nicht gewusst.
»Aber dann, nach dem Feuer, nachdem Ginny uns verlassen hat, nun ja ... stellte sich heraus, dass du für uns offenbar nicht das Gleiche empfunden hast, du bist verschwunden.« Ein leichter Vorwurf lag in Sir Roberts Blick. »Es wurde ziemlich ... leer im Haus, nachdem ihr beide, du und Ginesse, nicht mehr da wart, das muss ich schonsagen. Doch ich nehme an, junge Männer müssen nun einmal ihren eigenen Weg gehen. Ich wünschte nur, du wärst mit uns in Kontakt geblieben. Für uns gehörst du zur Familie, auch wenn du das anscheinend anders siehst. Warum bist du gegangen, Haji?«
Wegen meiner Schuld. Wegen meines Stolzes. Weil ich das Feuer, das Ginesse entfacht hat, weiter brennen ließ, um sie zu beschuldigen. Ich dachte, wenn sie erst einmal weg wäre, würde man mich bemerken, mich ernst nehmen, mich unterrichten.
Doch das hatten sie nicht getan. Ohne Ginesse hatte es keinen Grund mehr gegeben, weshalb Haji bei den Ausgrabungen dabei sein sollte. Der einzige, der jemals echtes Interesse an Hajis Ausbildung gezeigt hatte, war Sir Robert gewesen, und er hatte ihn betrogen. Haji hatte nicht in Sir Roberts Haus bleiben und mit ansehen können, wie sehr sie alle Ginesse vermissten, wohl wissend, dass er für alles verantwortlich war. Und es war alles umsonst gewesen. Im Laufe der Jahre war es ihm gelungen, seine Schuldgefühle zu mildern, indem er Ginesse für alles verantwortlich machte.
»Ich hielt es für das Beste«, sagte Haji und ausgerechnet Miss Whimpelhall rettete ihn davor, noch mehr sagen zu müssen.
»Wie ... demokratisch«, bemerkte sie und lächelte strahlend.
K APITEL 16
Scheu hob sie ihre bebenden Lippen zu seinem Mund und durch dieses ehrfürchtige Geschenk ihrer selbst wurde ihm der erhabene Genuss ihres reinen, süßen Kusses zuteil.
aus dem Tagebuch von Ginesse Braxton
» B itte Jim«, sagte Ginesse, »ich brauche nur ein paar Stunden Pause, bevor wir aufbrechen.« Dies war eine neue Taktik, denn der Versuch, ihm vernünftig zu erklären, dass es nicht ratsam war, so bald nach einer Kopfverletzung wieder zu reiten, hatte zu nichts geführt.
Jim, der gerade dabei war, in der Satteltasche, die Neely zurückgelassen hatte, nach etwas Nützlichem zu suchen, musterte sie scharf. Sie tat ihr Bestes, möglichst erschöpft auszusehen, was nicht weiter schwierig war.
»Verdammter Neely«, brummte er leise. »In Ordnung, Miss Whimpelhall. Ein paar Stunden, aber ich muss Ihnen sagen, dass Neely uns nicht viel dagelassen hat. Hier drin ist nichts, kein Zelt, kein Essen und keine Kohle. Nur zwei Decken, eine Ersatzuniform und eine Zunderbüchse.«
»Dieser widerwärtige Wurm ...«, setzte Ginesse an.
»Wird immer widerwärtiger«, beendete Jim den Satz. »In diesem Wasserschlauch ist kaum noch genug für einen Tag.«
Ginesse starrte Jim an und das enorme Ausmaß von Neelys Verrat sickerte nur langsam in ihr Bewusstsein. Sie hatte fest geglaubt, dass sie ihre Reise mehr oder weniger unverändert würden fortsetzen können – nur eben mit einem halben Dutzend Reisegefährten weniger –, wenn Jim erst wieder erwacht war. Doch jetzt begriff sie, dass Neely nie gewollt hatte, dass sie es wieder aus der Wüste heraus schaffte. Oh ja, er hatte ihnen zwar ein altes, einäugiges Kamel überlassen, doch wohl nur, um sein Gewissen zu beruhigen. Was nützte ihnen schon ein Kamel, wenn sie nicht genug Wasser und Verpflegung hatten? Das Kamel würde vielleicht überleben, sie jedoch nicht.
Dennoch, dachte Ginesse trotzig, Neely hatte nicht mit Jim gerechnet. Ein Dutzend Neelys waren nichts im Vergleich zu ihm.
»Ich verstehe einfach nicht, warum Neely Sie nicht mitgenommen hat. Damit hat der Trottel praktisch sein eigenes Todesurteil unterschrieben«, murmelte Jim schon mindestens zum fünften Mal. »Besonders, wenn ich ...« Seine
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