Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
also nicht mehr Interesse an ihr als an seiner angeblichen Schwester, oder?
»Sagen Sie was«, platze er plötzlich heraus. Er klang angestrengt.
»Wie bitte?«
»Sie haben seit einer halben Stunde nicht mehr geredet. Sagen Sie irgendwas. Erzählen Sie mir etwas über die Geschichte des Safrans oder darüber, wie man chinesische Grillenkäfige herstellt, oder für welche Rituale man Obsidian verwendet. Irgendetwas. Egal was.« Mehr als angestrengt, schon fast verzweifelt.
Sie wandte sich halb um, damit sie ihn ansehen konnte. Seine Augen glänzten im von der Düne reflektierten Licht. Dann schob er plötzlich mit einem tiefen Grollen in der Kehle eine Hand unter ihr Knie, hob ihr Bein über den Sattelknauf und drehte sie herum, so dass sie jetzt seitlich an ihn geschmiegt, die Beine über seinen Schenkel gelegt im Damensitz ritt.
Erleichtert atmete er auf. »So. Und jetzt. Reden Sie.«
Er war sich also nicht einfach nur ihrer Weiblichkeit bewusst, stellte sie fest und ihr Magen machte einen Hüpfer. Er wollte sie. Und obwohl ein Teil von ihr, dieser neu erwachte weibliche
Dschinn
, seine Macht gerne getestet hätte, wusste die vernünftige Akademikerin in ihr es doch besser.
Sie suchte nach einem Gesprächsthema. »Nach einer Schätzung von Napoleon Bonaparte könnte man mit den Steinen der Großen Pyramiden eine zehn Fuß hohe Mauer um ganz Frankreich bauen.«
»Hm.« Er hielt den Blick stur geradeaus gerichtet.
»Ein Florentiner aus dem fünfzehnten Jahrhundert ist dafür verantwortlich, dass Amor als Symbol der Liebe gilt. Während des Karnevals stattete er seiner Angebeteten als Amor verkleidet einen Besuch ab, also mit Flügeln und allem, und er brachte einhundertfünfzig Männer mit, um ihr ein Ständchen zu bringen. Vor ihrem Haus stellten sie einen prunkvoll geschmückten Triumphwagen auf. Nachdem ihr Lied zu Ende war, warf er seine Flügel auf den Wagen, der daraufhin in Flammen aufging. Dabei wurde ein Mechanismus ausgelöst und hunderte von Pfeilen wurden in die Luft geschossen, von denen der Sage nach einer ihr Herz durchbohrte und ihre Gunst gewann.
Als das Schauspiel vorbei war, ritt er sein Pferd die ganze Straße rückwärts hinunter, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte und schwor auf diese Weise, ihr niemals den Rücken zuzukehren.«
»Meine Güte«, bemerkte Jim trocken. »Klingt, als wäre der Kerl komplett durchgedreht. Wie viele Menschen außer seiner Freundin wurden denn von den Pfeilen noch durchbohrt?«
»Das war romantisch. Aber wie konnte ich nur vergessen, dass ich mit jemandem spreche, der Romantik für kindisch hält«, entgegnete sie und bemerkte, wie es sie enttäuschte. Doch sie hatte eigentlich kein Recht, wegen Jim Owens’ romantischer Veranlagung oder Nicht-Veranlagung enttäuscht zu sein. »Lass mich mal nachdenken, was könnte dich interessieren ...?« Nachdenklich legte sie die Stirn in Falten. »Amenhotep der Dritte, ein Herrscher der achtzehntenDynastie, begann mit dem Bau des Luxor-Tempels, aber Ramses der Zweite erweiterte ihn während ...«
»Nein«, unterbrach er sie.
Sie blinzelte. »Was nein?«
»Nichts mehr über Ägyptens tote Könige und Pharaonen oder über ihre Gräber und Papyri. Keine Vorträge mehr. Erzählen Sie mir etwas, das
Sie
interessiert.«
Seine Worte drangen nur langsam in ihr Bewusstsein. »Aber ich interessiere mich doch für diese Dinge.« Warum klang sie dann so unsicher? »Wirklich.« Und so abwehrend?
Er schaute auf sie hinunter. »Nein, das tun Sie nicht. Sie versuchen Ihren ... Sie versuchen, Pomfrey zu beeindrucken. Sobald Sie anfangen über Pharaonen zu sprechen, klingt Ihre Stimme abgehackt und entschlossen, als würden Sie eine mündliche Prüfung ablegen. Es ist keine notwendige Voraussetzung, wissen Sie.«
»Was ist keine notwendige Voraussetzung?«
»Sie müssen nicht sämtliche Herrschernamen und die dazugehörigen Grabstätten auswendig hersagen können, um in Ägypten zu leben.«
»Darum geht es nicht«, erklärte sie steif, jeder Gedanke an Küsse und weibliche Macht war verflogen. »Ich finde es faszinierend. Die unterschiedlichen Dynastien und Häuser, die Herrscherreiche ... Du nicht?«
»Nein.«
Ihr klappte der Mund auf. Was er da sagte, war nicht nur unvorstellbar, in ihrer Familie war es geradezu ein Sakrileg. »Du findest es nicht faszinierend?«
Er zuckte mit den Schultern und mit dieser gleichgültigen Geste wertete er ihre Welt, ihr Leben und ihre Familie zu einem belanglosen Hobby ab. »Ich finde es ab
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