Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
saß er einfach da und blickte ihr misstrauisch entgegen, mit angewinkelten Knien, die Füße fest auf dem Boden und die Hände zu Fäusten geballt auf seinen Oberschenkeln liegend. Er strahlte Anspannung aus. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Blick kurz zu der Schwellung zwischen seinen Beinen flog, und sie dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, als sich dieses männliche Glied gegen ihre Hüfte gepresst hatte. Hitze strömte ihr in die Wangen.
»Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen«, sagte sie.
Er starrte sie an und wirkte völlig entgeistert. Dann stieß er einen geschlagenen Seufzer aus, entspannte seine Hände und Arme und ließ die Schultern sinken. »Und Sie meinen das wirklich ernst, stimmt’s?«
Sie runzelte die Stirn. »Natürlich tue ich das. Was ich getan habe, war gewissenlos. Ich bin verlobt. Ich hätte niemals ...«
»Stopp. Kein Wort mehr.« Er erhob sich. »Ist Ihnen denn nicht einmal der Gedanke gekommen, dass ich es bin, der sich entschuldigen sollte?«
Er fuhr sich mit der Hand durch das nasse Haar. »Man hat mir die Aufgabe anvertraut, die zukünftige Braut eines anderen Mannes zu ihm zu bringen, damit er sie heiraten kann. Eine heiligere Pflicht als diese kann ich mir kaum vorstellen. Und ich habe dasin mich gesetzte Vertrauen verraten. Kein Mann von Ehre hätte das getan.«
Er wählte also den edlen Weg, indem er sie von jeder Schuld freisprach.
Ihre Miene verfinsterte sich zusehends.
Sie wollte aber nicht freigesprochen werden. Sie bestand auf gleichem Recht für alle. Immer taten jene die ihr wichtig waren so, als wäre sie für nichts verantwortlich, sie erfanden die unglaubwürdigsten Ausreden für all die Missgeschicke, die ihr unterliefen. Sie verstand diesen Impuls, sie schätzte ihn sogar, doch all ihre Möchtegern-Beschützer übersahen dabei anscheinend, dass sie Ginesse mit diesem Verhalten in die Rolle eines Kleinkindes drängten.
Und was sie letzte Nacht empfunden hatte – was sie jetzt empfand –, war alles andere als kindlich.
»Und auch keine Frau von Ehre«, erwiderte sie hitzig. »Ich habe sogar einen noch größeren Verrat begangen, denn ich habe Colonel Lord Pomfreys Heiratsantrag angenommen. Und ich sollte ihn deshalb lieben.«
»Sie
sollten
?«, hakte er sofort nach.
Sie räusperte sich. »Ich meine, deshalb liebe ich ihn.«
»Ach wirklich?« Er hatte nur einen Schritt auf sie zugemacht, doch mit dieser kleinen Bewegung füllte er ihr gesamtes Blickfeld aus. Sie konnte das Heben und Senken seiner Brust unter dem Leinenhemd sehen, das Zucken eines Muskels in seinem Gesicht, die indigoblauen Ringe um seine helle, graublaue Iris.
»Schließlich heirate ich ihn doch.«
»Tun Sie das?«
Sie wich einen Schritt zurück, er folgte ihr mit locker schwingenden Armen. Sein Gang war träge und zugleich irgendwie raubtierhaft.
»Tun Sie das?«, wiederholte er.
Sie hielt inne, hob das Kinn und fühlte, wie ihre Lippen bebten. Sie war drauf und dran, ihm die Wahrheit zu sagen. Und was würde er dann tun? Würde er sie für ihre Lügen verachten? Natürlich würde er das, er war ein Mann von Ehre und er würde jede Form der Unehrlichkeit verachten. Bei dem Gedanken verließ sie der Mut.
»Ja«, flüsterte sie.
Dieses eine Wort ließ ihn so abrupt stehenbleiben, als hätte ihn ein unerwarteter Schlag getroffen.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie.
Er wirkte müde. Geschlagen. »Sie haben sich schon entschuldigt«, sagte er und wandte sich ab.
Sie hatte keine Ahnung, welcher Teufel sie ritt. Sie hätte einfach stumm bleiben können, sie hätte stumm bleiben
sollen
. »Du hast gesagt, du solltest eigentlich derjenige sein, der sich entschuldigt. Aber das hast du nicht. Warum nicht?«
Er drehte den Kopf und sein Blick durchbohrte sie. »Treiben Sie keine Spielchen mit mir, Miss Whimpelhall.« Seine Worte waren ein finsterer Schwur. In seiner Stimme lagen Versprechen und Drohung, warnend und verlockend. »Es könnte Ihnen nicht gefallen, wie dieses Spiel ausgeht.«
»Warum hast du dich nicht entschuldigt?«
Er stand jetzt direkt vor ihr. Sein Blick war zu dunkler Glut geworden, in der nur noch ein letzter Funke glomm, ein Gewahrsein ihres Körpers, ein Lauern, das ihre Knie weich werden ließ und ihr Herz dazu brachte, schneller zu schlagen. Nervös befeuchtete sie sich die Lippen mit der Zungenspitze. Mit wölfischer Intensität beobachtete er diese simple Geste. »Weil ich es nicht bedaure.«
Irgendetwas hatte sich in ihm verändert. Sein
Weitere Kostenlose Bücher