Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
aufgetaucht war.
Bis sie aufgetaucht war, waren ihm die Folgen seines Verzichts überhaupt nicht bewusst geworden. Bis sie aufgetaucht war, hatte er es nie als Verlust gesehen. Er konnte ihr nicht einmal einen Namen bieten. Oder ein Zuhause, einen Ort der Beständigkeit mit Freunden und Verbindungen, ein in allen Bereichen erfülltes Leben.
Er besaß nichts außer seinen beiden Pferden und dem, was er bei sich trug.
Ein paar schicksalsschwere Augenblicke lang überlegte er sogar zurückzugehen. Noch war sein Tod nicht offiziell bestätigt worden. Althea konnte den Fall erst in einigen Monaten vor Gericht bringen. Danach wäre es zu spät. Seinen Namen konnte er vielleicht zurückgewinnen, doch alles andere würde verloren sein. Und selbst wenn er sein Geburtsrecht einklagen wollte, hätte er kein Geld, um für die Prozesskosten aufzukommen.
Doch er konnte es ohnehin nicht tun. Er konnte sich sein Glück nicht auf Kosten anderer erkaufen. Nicht auf Kosten seines Halbbruders Jock, der sich mittlerweile wohl an den Gedanken gewöhnt hatte, der Erbe ihres Vaters zu sein, und auch nicht auf Kosten seines Onkels, der die Youngblood-Ranch nach der Landrückgabe wieder zu früherem Ruhm führen konnte.
Außerdem gehörte Mildred Whimpelhall zu einem anderen, sie gehörte zu einem kühnen, pflichtbewussten, schwer arbeitenden, tüchtigen, großzügigen und
romantischen
Mann. Zu jemandem, der ihre Liebe verdiente.
»Ist das dort die Oase oder eine Fata Morgana?«, fragte sie leise.
Er sah zu ihr hinunter, doch sie wich seinem Blick aus. Sie musste aufgewacht sein, während er mit seinem Gewissen gerungen hatte.
»Es ist die Oase.«
Sie war nicht so malerisch, wie man sie in Gedichten immer beschrieben fand. Es war nichts als ein gezackter Felskamm, eine steinerne Faust, die durch die Erdkruste gebrochen war und ein schmales, aber stetiges Rinnsal Wasser mit sich führte, das sich in einem grasgesäumten flachen Tümpel sammelte. Einige kümmerliche Doum-Palmen daneben.
Jim ließ das Kamel im Schatten der Felsen in die Knie gehen und stieg ab. Eine Schlange glitt am Fuß der Steine entlang und verschwand in einem Spalt. Jim markierte die Stelle, an der sie verschwunden war, hob Mildred aus dem Sattel, ohne erst um Erlaubnis zu fragen, und stelltesie auf die Füße. Die langen Stunden auf dem Kamelrücken hatten ihre Beine geschwächt und sie schwankte leicht. Er stützte sie und fühlte, wie sie zusammenzuckte. Er fluchte still und riss seine Hände zurück.
Wortlos drehte er sich um und löste ihr Gepäck vom Kamelrücken. Er warf es in den Schatten und machte sich dann daran, das Tier abzusatteln. Er spürte ihren Blick und ohne aufzusehen sagte er: »Das Wasser ist warm und ein wenig salzig.« Seine Stimme klang ruhig, ausgeglichen und verriet nichts von seiner inneren Zerrissenheit. »In meinem Gepäck ist eine Blechtasse. Benutzen Sie einen Zipfel Ihrer Robe, um das Wasser durchzuseihen.«
Er hörte, wie sie sich entfernte und in den Taschen herumkramte. Dann vernahm er ein melodisches Plätschern und ein leises Aufkeuchen. Er drehte sich um und sah sie mit geraffter Robe bis zu den Waden im Wasser stehen. Sonnenlicht glänzte auf ihrem Haar. Obwohl der Schweiß weißliche Spuren auf ihren staubverkrusteten Wangen hinterlassen hatte und ihre Nase sonnenverbrannt war, hatte sich ein unwiderstehliches Lächeln auf ihrem Gesicht ausgebreitet. Noch während er hinsah, schälte sie sich aus der
Tob
und warf sie ans Ufer. Dann streifte sie sich ohne zu zögern die
Farasia
über den Kopf und stand nun nur noch in der eng anliegenden, tief ausgeschnittenen rubinroten
Antaree
und dieser verdammten Hose da. Sein Körper reagierte sofort.
»Dreh dich um«, befahl sie.
Er tat es, sowohl frustriert als auch erleichtert. Etwas segelte am Rand seines Gesichtsfeldes vorbei und landetezerknautscht am Fuß der Felsen. Ihre Hose. Dicht gefolgt von der
Antaree
. Sie lachte. Vielleicht hatte sie ja einen Sonnenstich und war nicht mehr ganz zurechnungsfähig. Denn hier stand sie, mitten im Nirgendwo, mit einem Mann, der sie soeben geschändet hatte, von ihrer Eskorte im Stich gelassen und zum Sterben ausgesetzt – was er nicht vergessen würde, das schwor er sich – und sie lachte.
Nein, dachte er dann. Sie war sich der Gefahr und des Ernstes der Lage sehr wohl bewusst, aber es war einfach nicht ihre Art, sich der Angst zu beugen und von ihr alle Fröhlichkeit ersticken zu lassen. Sie lebte im Hier und Jetzt und dieser
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