Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Alice Perrers. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich beachtet. So lange schon war es mir vorgekommen, als würde mich niemand bemerken, mich, Alice. Ich erinnerte mich daran, wie ich vor meiner Heirat Angst verspürt hatte, ich könnte mich in meiner Liebe zu Janyn selbst verlieren.
»Kommt, begleitet mich und erzählt mir, was meine Philippa Eurer Meinung nach sagen würde.«
Seine vertraute Art verwirrte mich zwar derart, dass ich schon fürchtete, in ängstliches Gekicher auszubrechen, doch die Freundlichkeit in seinem Blick half mir darüber hinweg. Mein gutes Gedächtnis ließ mich nicht im Stich, und ich konnte ihm die Punkte wiederholen, an denen der Königin
vorrangig gelegen war. Ich schüttelte den Kopf, als der Boden unter unseren Füßen schlammig wurde, und nickte, als wir auf höherem Grund standen und das Marschland der Insel sich wie ein Meer aus Grün- und Brauntönen vor uns ausbreitete. Doch die ganze Zeit brachte mein Verstand fieberhaft Einwände gegen jenen Funken Hoffnung vor, den er in mir entzündet hatte, die Hoffnung, mich am Hof nicht völlig zu verlieren, vielleicht doch zeigen zu können, dass ich etwas wert war und ich auch ohne Janyn womöglich Glück im Leben finden konnte.
Plötzlich blieb der König stehen. Wir waren den anderen vorangegangen und nun mit den Seemöwen und dem Wind mehr oder weniger allein.
»Diese ständige Schwermut ist nicht hinnehmbar, Mistress Alice. Ich möchte Euch lachen sehen, bevor der Tag zu Ende ist.«
»Eure Königliche Hoheit«, sagte ich und verneigte mich knicksend vor ihm, was auf den Felsen nicht einfach war. »Ich überlegte nur, worauf Ihre Hoheit die Königin mich noch zu verweisen wünschen würde.« Ich hätte schwören können, dass ich ins Lächeln gekommen war, und hielt meinen Blick gesenkt.
»Schon möglich.« Beringte Finger in einem Handschuh griffen unter mein Kinn und hoben es an. »Holde Alice, Ihr habt viel zu betrauern, ich weiß. Aber Ihr habt auch noch ein ganzes Leben vor Euch, und ich möchte Euch gerne ermöglichen, es in vollen Zügen auszukosten, voller Anmut und Freude, und frei von Besorgnissen. Das schulde ich Euch, denn es war das Handeln meiner Mutter, das Euch Eures Gemahls und Eurer Schwiegermutter beraubt hat. Ich verspreche Euch, sobald Eure Verwicklung in diese Angelegenheit mit Gewissheit vergessen ist, werde ich Eure Tochter näher an den Hof bringen, damit Ihr sie häufiger sehen könnt.«
»Mylord!« Mehr brachte ich nicht heraus, da die Gefühle mir den Atem raubten.
Er neigte den Kopf zur Seite und musterte mich. »Ihr seid eine außergewöhnlich schöne junge Frau, Mistress Alice. Ihr werdet gewiss bei einem anderen Mann Euer Glück finden.«
Ich war froh, dass die anderen in diesem Moment zu uns aufschlossen, da mir so eine Antwort erspart blieb, für die ich niemals Worte gefunden hätte. Er hielt mich für schön und hatte versprochen, dass Bella in meiner Nähe sein würde!
»Eure Hoheit«, stammelte ich nur, als die anderen uns einholten und auf eine Rückkehr in das Haus drängten, in welchem der König und seine Ritter untergebracht waren, um dort gemeinsam eine bescheidene Mahlzeit einzunehmen.
In dieser Nacht fiel es mir leichter, im Bett zu bleiben und dem Tuscheln und Schnarchen der anderen Frauen zu lauschen. Morgens früh weckte mich Gwen, als die meisten von ihnen noch schliefen.
»Der König schickt nach Euch, ihn auf die Beizjagd zu begleiten !« Ihre Augen leuchteten ob dieser Einladung.
Voller Erwartungsfreude schlüpfte ich unter den Decken hervor.
Draußen war die Luft kühl durch den wabernden Morgennebel, der in der aufgehenden Sonne in ungewöhnlichen Farben schillerte.
»Heute wird es warm werden«, sagte Gwen.
»Später, jetzt noch nicht«, erwiderte ich enttäuscht. Ein Falke würde bei diesem Wetter nicht fliegen wollen. Doch aus dem Nebel kam der König auf mich zugeritten, gefolgt von einem Bedienten, der ein zweites Pferd mit sich führte. Falken trugen sie nicht.
Wir ritten zum Strand hinunter, wo wir unsere Pferde so dicht wie möglich nebeneinander halten ließen, und sahen auf die wirbelnden Schwaden hinaus.
»Gestern sagte ich, ich würde Eure Trauer und Euren Schmerz verstehen«, begann der König. »Ich möchte Euch die Geschichte eines jungen Mannes erzählen, der noch jünger war, als Ihr es seid, und der entdeckte, dass der glückliche Traum seiner Kindertage tatsächlich nur genau das war – ein Traum.« Er schilderte mir den Augenblick,
Weitere Kostenlose Bücher