Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Anweisungen infrage stellen oder ihre Klugheit. Gehorsam bis in den Tod wird von uns verlangt, und dass wir viele Söhne gebären. Außerdem fürchten uns natürlich alle Priester und Mönche, da sie uns begehren und ihr eigenes Verlangen nur schwer zügeln können. Also beschuldigen sie uns und nennen uns sündhaft, da sie ihre eigene Schwachheit ja nicht eingestehen dürfen. Ich begreife nicht, warum Gott uns nicht entschiedener zur Seite steht.«
Ich war keineswegs anderer Meinung, allerdings hatte ich meine eigene Wut über solche Dinge für eine Sünde gehalten und hätte sie niemals laut geäußert. Doch ich fühlte mich zunehmend gelähmt von dem Gehorsam, der mir abverlangt wurde. Sie öffnete mir die Augen für die Möglichkeit, meinem eigenen Verstand zu vertrauen, wovon zwar auch die Königinwitwe Isabella gesprochen hatte, doch Isabella hatte meiner Ansicht nach durch die Beseitigung ihres Gemahls und Königs gegen Gottes Gesetze und gegen die der Natur verstoßen. Joans Art, dem eigenen Verstand zu vertrauen, war da erheblich mehr nach meinem Geschmack.
Vielleicht würde ich wirklich wieder Freude finden. Das Leben bei Hofe tat nicht viel, um meine Lebensgeister zu wecken. Und sobald ich jemanden über ein Kind sprechen hörte, überwältigte mich die Sehnsucht nach Bella.
Nach dem Georgsfest reiste der König auf die Isle of Sheppey, um sich mit Steinmetzen und Werkmeistern über die Burg von Queenborough zu besprechen, die er dort für Queen Philippa errichten ließ. Zu ihrem tiefsten Bedauern hatten die Ausschweifungen der Georgsfeiern sie so stark
erschöpft, dass Philippa ihr Vorhaben, ihn zur Baustätte zu begleiten, aufgeben musste. Wie ihr Leibarzt war sie der Meinung, die lange Reise von Windsor ins nördliche Kent würde sie überfordern. Das hieß aber keineswegs, dass sie nicht dennoch bei der Gestaltung der Burg ein Wörtchen mitreden wollte, und so wurde angeregt, mich in die Reisegesellschaft des Königs aufzunehmen, eine Frau, auf deren Geschmack sie sich verlassen konnte. Ich sollte also mit dem König reisen. Die Nachricht ließ mein Herz heftiger schlagen. Ich würde zwar nur eine von mehreren Frauen aus dem Hofstaat der Königin sein, die zur Gesellschaft zählten, aber sie wies mir eine Ausnahmestellung zu, denn sie ging allein mit mir ausführlich alle Einzelheiten des Baus durch, auf die ich meine besondere Aufmerksamkeit richten sollte.
»Wo bleibt denn Euer begeistertes Lächeln, Alice ? Ihr werdet einen Palast für eine Königin entwerfen. Schönheit erschaffen. Ich zeichne Euch damit aus und betraue Euch mit etwas, das mir sehr viel bedeutet.«
In Wahrheit war ich von der großen Ehre und dem Vertrauen, mit denen sie mich bedachte, völlig überwältigt. Ich zwang mich zu einem Lächeln. Mangel an Selbstvertrauen konnte die Königin gar nicht ausstehen.
»Eure Hoheit, ich war noch ganz vertieft in die Liste all der Dinge, die wir besprochen haben, um sie mir genau einzuprägen. Ich hoffe, Ihr verzeiht mir.«
Offenbar hatte ich die richtige Entschuldigung gewählt. Sie lächelte. »Euch sei verziehen.«
»Ich muss gestehen, überdies daran gedacht zu haben, wie viel schöner es doch wäre, wenn wir gemeinsam dort sein könnten.«
Zufrieden drückte sie meine Hände und wandte sich rasch anderen Themen zu – ihrem traurigen Gesundheitszustand, dem Entzücken über so viele Schwangerschaften und ihrem
Mangel an Bewegung, welcher offenbar dazu führte, dass es ihr seit ihrem Sturz zunehmend schlechter ging. Da dieses Gespräch sie schließlich erschöpfte, entschuldigte sie sich und entließ mich mit anscheinend aufrichtigem Bedauern, damit ich mich auf die Reise vorbereiten konnte.
Gwen machte sich sofort mit einer Begeisterung ans Packen, wie ich sie bislang nur selten bei ihr erlebt hatte. Sie bemühte sich nach Kräften, möglichst viel über die Insel und die Wegstrecke, die wir nehmen würden, in Erfahrung zu bringen, und achtete darauf, dass ich genügend warme Kleidung dabeihatte.
»Es soll dort sehr feucht sein, mit dichtem Morgennebel«, erklärte sie.
»Nun ja, es ist halt eine Insel«, meinte ich.
Sie nahm ihre Arbeit wieder auf, doch an der Haltung ihrer Schultern konnte ich ablesen, dass mein Gleichmut sie enttäuschte.
»Ich freue mich, Gwen, aber ich muss auch meinen Pflichten Ihrer Königlichen Hoheit gegenüber nachkommen, und zu viele Einzelheiten über die Reise lassen mich den Wortlaut ihrer Anweisungen vergessen, fürchte ich.«
Das
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