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Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Campion
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Gedanke an diesen Traum gleichermaßen. Dabei verwirrte mich, dass ich mir einerseits so gut vorstellen konnte, ihm beizuschlafen, und mir diese Vorstellung auch überaus angenehm war, ich andererseits in ihm jedoch bei Tageslicht betrachtet keinen brauchbaren Ziehvater für Bella sehen konnte. Irgendetwas an ihm schien mir nicht vertrauenswürdig genug, um mit ihm die Verantwortung für meine geliebte Tochter zu teilen. Womöglich aber war ich nur noch zu geblendet von der Wohlgefälligkeit des Königs.
     
    Zu meinem Erstaunen nahm King Edward von diesem Zeitpunkt an wieder verstärkt Notiz von mir. Oft blieb er nach der Morgenandacht bei mir stehen, um mit mir zu reden. Er wählte meist belanglose Themen wie das Wetter oder die Musik, die am Abend zuvor im Rittersaal gespielt worden war. Ich antwortete mit niedergeschlagenen Augen in bescheidener Demut, stets darum bemüht, mir meine Verehrung nicht anmerken zu lassen. Ich musste ihn nicht ansehen, um zu spüren, dass sein Blick auf mir ruhte. All meine Sinne schienen nur auf ihn ausgerichtet zu sein. Die Beachtung, die er mir schenkte, war Labsal für meine einsame Seele. Zugleich bat ich Gott um die stete Einsicht, seinem Verhalten nicht zu viel Bedeutung beizumessen.
    Im Spätsommer stand Queen Philippa tagelang nicht mehr von ihrem Bett auf, nachdem die Pest ihre beiden jüngsten
Töchter Margaret und Mary dahingerafft hatte. Es war ein schrecklicher Schlag für die Königin, als ihre beiden Nesthäkchen, die erst kürzlich geheiratet und ihr neues Leben begonnen hatten, innerhalb nur eines Monats starben. Sie war untröstlich. Ihre einzige noch lebende Tochter Isabella war des Königs Liebling, dem sie nie wirklich nahegestanden hatte. Margaret und Mary dagegen waren stets ihr größter Sonnenschein gewesen.
    Am zweiten Morgen, an dem ich ohne sie die Morgenandacht besuchte, blieb King Edward wie gewöhnlich im Korridor bei mir stehen, diesmal aber nicht, um ein paar kurze Freundlichkeiten auszutauschen, sondern um mich zur Beizjagd einzuladen. Wie sich herausstellte, bestand unsere Jagdgesellschaft nur aus dem Falkner, zwei Pferdeknechten und uns beiden.
    »Ich dachte, dass keinem von uns der Sinn nach einer großen, lärmenden Gesellschaft steht«, sagte der König.
    Ich war froh, die Taille an meinem lincolngrünen Reitgewand erst kürzlich der neuesten Mode entsprechend enger gemacht und die alten Federn an meiner Kappe durch neue, buntere ersetzt zu haben. Der König und ich sprachen wenig. Wir beschäftigten uns mit unseren Falken und Pferden und ließen die waldreiche Landschaft und die hoch aufsteigenden Vögel besänftigend auf unser Seelenleben wirken. Ich spürte, dass er mich beobachtete, während ich mit meinem Merlin sprach, wandte mich aber nicht zu ihm um. Wenn wir gemeinsam durch den Wald ritten, wenn wir uns frei fühlten, aus voller Brust in den Wind hineinzuschreien und zu lachen, wenn wir beide die vollkommene Schönheit, Anmut und ungezähmte Kraft unserer Vögel bewunderten, dann empfand ich eine Verbindung zwischen uns, weit jenseits der berückenden Wirkung, die er auf mich ausübte. Fern vom königlichen Hof herrschte ohne viele Worte
ein entspanntes Einverständnis zwischen uns, waren wir wesensgleich in unserem Wohlgefallen an Gottes herrlicher Schöpfung. Hier fanden wir unseren Frieden.
    Am folgenden Tag lud der König mich erneut ein, am Tag danach ebenfalls, und am vierten Morgen unterhielten wir uns nach der Jagd ein wenig über unsere jüngsten Schicksalsschläge. Nur zu gern wollte ich dem König in seiner Trauer helfen, so wie er mir geholfen hatte. Wir standen inmitten einer hübschen Talwiese beisammen. Der Falkner hatte sich unserer Vögel angenommen und war bereits fortgeritten. Nur die Knechte waren noch bei uns. Sie standen etwas abseits am Waldrand und hielten unsere Pferde.
    »Innerhalb eines Jahres habe ich so viele Männer verloren, die an meiner Seite kämpften, auf die ich mich stützte, denen ich blind vertrauen konnte, wenn es um die Verteidigung meines Königreichs ging. Sie waren Kampfgefährten und Freunde, meine besten Freunde. Und jetzt habe ich zudem zwei meiner geliebten Töchter verloren, beide noch so jung.«
    King Edwards Blick ruhte starr auf den Bäumen, als wollte er vermeiden, einen anderen Menschen anzusehen, während er von seinen Verlusten sprach.
    Ohne darüber nachzudenken, nahm ich eine seiner großen Hände und drückte sie. Ich weiß auch nicht, was mich zu dieser Dreistigkeit bewog.

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