Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Vernarrtheit in den König und meiner Loyalität gegenüber der Königin quälte. Meine innersten Gefühle waren in Aufruhr. Und so beschränkten sich meine Erklärungsversuche auf die Nachwirkungen meines Martyriums von Oxford. Zum ersten Mal in meinem Leben schlief ich so leicht, dass schon das kleinste Geräusch mich aufschrecken ließ und ich beim Aufwachen von der Angst geplagt wurde, Fremde würden sich in meiner Kammer befinden. Master Adam empfahl einen Schlaftrunk.
»Dann würde ich mir erst recht hilflos vorkommen.«
»Ihr seid in Sicherheit, Mistress Alice. Ihr steht unter dem Schutz des Königs.« Wie er so über seine große Adlernase auf mich herabsah, hielt er jeden Zweifel an meiner Sicherheit offenkundig für töricht.
»Ich stand auch unter dem Schutz des Königs, als ich angegriffen wurde, Master Adam.«
Er schnaubte ungehalten. Ich nahm den Schlaftrunk nicht.
Auch Queen Philippa bemerkte mein schwindendes Gewicht und erklärte, ich würde aussehen, als bekäme ich zu wenig Schlaf. Voll Mitgefühl lauschte sie meiner Begründung und erzählte mir anschließend von den Ursachen für ihre eigene Melancholie, von den Schmerzen in ihrem Becken, die derart groß seien, dass sie keine Kinder mehr empfangen könne, und davon, dass der König und sie mittlerweile nicht länger als Mann und Frau, sondern nur wie Bruder und Schwester miteinander lebten. Aber, verkündete sie zum Schluss, sie werde sich etwas ausdenken, um uns beide aufzuheitern.
Aus dem Kreis der Frauen, die Ihrer Königlichen Hoheit aufwarteten, hatte ich bereits Gerüchte gehört, dass ihr Reitunfall sie auch aller Freuden an geschlechtlichem Verkehr beraubt hatte und kurze Zeit später ihr Monatsfluss aufhörte. Sie selbst hatte ich jedoch nie darüber sprechen hören. Einerseits fühlte ich mich durch ihr Vertrauen geehrt und bedauerte ihr Schicksal aufrichtig, andererseits hatte ich aber auch das verstörende Gefühl, dass sie mich damit von aller Schuld freisprechen wollte. Die neue Garderobe, dieser Vertrauensbeweis – ich gewann mehr und mehr den Eindruck, als Edwards Mätresse aufgebaut zu werden, eine ebenso erregende wie beängstigende Vorstellung.
Während der Vorbereitungen auf die Weihnachtsfeierlichkeiten eröffnete mir die Königin, womit sie uns beide aufheitern wollte. Wir sollten mit unserer Aufmachung den gesamten Hof erstrahlen lassen, sollten das Licht auf uns ziehen, wo immer wir erschienen. Sie wurde richtig ausgelassen bei unseren Besprechungen, Planungen und bei der Auswahl all der hell glänzenden Stoffe und Juwelen. Immer wieder
schloss sie mich in die Arme. Ich schlief nun zunehmend besser, was meiner Ansicht nach weniger an der Arbeit lag, obschon mir diese großes Vergnügen bereitete, als an der Zuneigung, welche die Königin mir entgegenbrachte. Stärker denn je hatte ich das Gefühl, Teil ihres Lebens zu sein, Teil ihrer erweiterten Familie. Mein Sicherheitsempfinden steigerte dies mehr als alles andere.
Doch eine ganz anders geartete Gefahr bestand weiterhin. Nicht der Fluch Isabellas, vielmehr Edwards Verlangen und mein eigenes. Eines Novembermorgens fand ich bei der Rückkehr in meine Kammer einen herrlich weichen und tiefrot gefärbten Wollstoff auf meinem Bett, dazu einen Brief von Edward, verschlossen mit dem mir inzwischen so vertrauten Siegel.
»Welche Farbe wäre besser zur Jagd? E«
Der König war ein geschickter Jäger.
Genau wie ich.
An Weihnachten trug die Königin Kleider, die mit so vielen Juwelen und Perlen besetzt waren, in denen sich das Licht fing, dass sie tatsächlich zu leuchten schien. Und ich ebenfalls. Geoffrey berichtete mir, innerhalb der Ritterschaft würde beständig über die Absichten der Königin für mich getuschelt, und fragte unverblümt, ob man mich etwa für den König zur Schau stellte.
Seine Worte bestätigten meine Besorgnis, dass am Hofe alle sahen, was das Königspaar mit mir vorhatte. Selbstverständlich wurde auch bemerkt, wie Philippa mich als eine jüngere Ausgabe ihrer selbst einkleidete. Selbstverständlich wussten alle, dass ich an Edwards Tafel saß, dass wir reiten und jagen gingen, bisweilen sogar ohne weitere Gesellschaft. Ich versicherte Geoffrey, dass Edward und ich in der letzten Zeit nie allein gewesen waren, kam mir aber vor wie
Criseyde, die herausgeputzt wurde, um den König zu beeindrucken. Aber wer war mein Troilus? Janyn? Würde er vom Himmel herabblicken und mich für ein treuloses Weib halten? Ich wurde in etwas hineingezogen,
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