Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
den treuen Beistand, den sie mir leistete, und erlaubte ihr, sich zu entfernen.
Ich hatte es gewagt, ihn bei dem Gespräch genauer als sonst zu beobachten. Mir war aufgefallen, wie uneingeschränkt er Gwen seine Aufmerksamkeit schenkte. Ich hatte auch die feinen Fältchen um seine Augen herum bemerkt und die tieferen Einkerbungen, die sich unter seinem Bart von den Rändern beider Nasenflügel zu den Mundwinkeln zogen. Zeichen des Älterwerdens. Die Königin hatte unlängst erwähnt, dass er in seinem fünfzigsten Jahr stand. Er hätte mein Vater sein können, doch so wirkte er überhaupt nicht. Er war so agil, so aufregend.
»Master Stury hat mir nur wenig erzählt. Wer waren diese Männer, Eure Kö…«
Er schüttelte den Kopf und formte mit den Lippen lautlos seinen Namen.
»Edward«, sagte ich, doch fast wäre es mir im Hals stecken geblieben. Ich befürchtete, eine Grenze überschritten zu haben, zu deren Überquerung ich noch nicht bereit war. Ich hatte Angst vor meinem eigenen Verlangen nach seinen Liebkosungen.
Er lächelte, als ich seinen Namen benutzte, wurde dann aber sofort wieder ernst. »Ebenso wie dein verstorbener Gemahl werde ich dir so wenig wie nötig mitteilen. Zu deinem eigenen Schutz.« Er kippte den Kopf in den Nacken und bedachte mich mit einem Blick, der mir offenbar bedeuten sollte, dass ich mich mit einer solchen Antwort zufriedenzugeben habe.
Trotz meiner Angst vertraute ich ihm. An seiner Aufrichtigkeit hegte ich niemals Zweifel. Aber wenn wir jetzt tatsächlich freundschaftlich verbunden waren, sollte er mich ruhig auch in meiner ganzen Dickköpfigkeit kennenlernen. »Wie ich bereits Janyn und Lady Isabella erklärt habe, besitzen jene, die meiner Familie nachstellen, keinen Anlass zu der Annahme, dass ich nichts weiß. Sie werden es also wieder bei mir versuchen, um herauszufinden, was sie wissen wollen. Genau wie in Oxford.«
Edward senkte den Kopf und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Atemlos gespannt wartete ich darauf, dass er mir endlich die Ursache für all mein Leid der letzten Jahre nannte. Ich fürchtete schon, es würde etwas viel zu Banales sein, um den Verlust so vieler Leben zu rechtfertigen, fürchtete schon, es könnte so bedeutsam sein, dass ich für den Rest meines Lebens darunter leiden müsste.
»Zur rechten Zeit, Alice.«
Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen. Er legte einen Finger auf meine Lippen.
»Folgendes werde ich dir erzählen. Die Familie deines Gemahls wurde von zwei Seiten bedrängt: von denen, die sich ihr Wissen erkaufen wollten, und von denen, die es ihnen mit Gewalt abzuringen versuchten. Beiden Seiten gehören Mitglieder meiner Familie und einflussreiche Adlige an, außerdem wohlhabende Kaufleute, die es auf machtvolle Bündnisse abgesehen haben. Doch nun, da sie alle unmissverständlich
wissen, dass du unter meinem Schutz stehst, werden sie aufhören damit.«
»Haben meine Angreifer deshalb sterben müssen?«
Es war ein atemberaubendes Gefühl, diese erstaunlich blauen Augen mit solcher Eindringlichkeit auf mir zu spüren. Als er den Bann plötzlich brach und den Kopf schüttelte, hätte ich fast das Gleichgewicht verloren.
»Du hast doch nicht etwa von mir erwartet, sie laufen zu lassen? Welche Strafe hättest du denn bevorzugt? Dass sie langsam im Verließ sterben, ohne Essen und Wasser, ohne Sonnenlicht und Sterbesakramente? War ihr Tod also zu leicht?«
»Nein!« Ich bekreuzigte mich, um die entsetzlichen Bilder zu vertreiben, die er heraufbeschworen hatte. »Aber ich hätte es vorgezogen, erst mit ihnen zu sprechen und sie nach meinem Mann und dessen Eltern zu befragen.«
»Das entspricht nicht deiner Rolle, Alice.«
Mich ärgerte die Unwiderruflichkeit, die er in seine Haltung legte. »Was ist mit meiner Tochter? Was wäre, wenn jemand sie raubt, um mich zu zwingen? Wie soll ich mit einer solchen Angst leben, Edward?«
»Du hast nichts zu befürchten, meine liebe Alice. Meine Schwester weiß nur zu genau um die Gefahr, in der deine Tochter schwebt.« Er zog mich zu sich. »Wie ich dir schon gesagt habe, sie werden dir oder deiner Tochter nichts anhaben. Jene, die es bei dir wagten, wurden bei dem Versuch getötet, der einzige Überlebende hingerichtet. Das wird allen als Warnung dienen, die sich mit solchen Gedanken tragen könnten.«
Diesmal erwiderte ich nichts, ließ lediglich seine Umarmung über mich ergehen. Ich verstand nicht, wie mich zur selben Zeit seine Nähe erregen und seine Art, über mich zu
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