Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
eine solch anstrengende Reise auf dich nimmst. Du wirst mein Ein und Alles sein, wenn Philippa …« Er ließ meine Hand los und nahm mich in die Arme. »Ich muss wissen, dass du hier auf mich wartest, sicher und wohlauf.«
Herz, Körper und Seele schmerzten mir tatsächlich weiterhin, aber ich bedauerte dennoch, dass ich in ihren letzten Tagen nicht bei der Königin sein konnte. Ich trauerte um sie fast ebenso stark wie um mein Kind. In ihren Diensten hatte ich viel über Würde und Güte gelernt. Außerdem empfand ich ihretwegen inzwischen Selbstachtung aufgrund meiner eigener Fähigkeiten. Und ich hatte sie stets geliebt. Sobald Edward nach Windsor abgereist war, zog ich mich nach Fair Meadow zurück, wo ich Stunden um Stunden dafür betete, dass Philippa einen friedlichen Tod haben und ihr die ewige Erlösung gewiss sein möge. Vermutlich war sie, von ihren Sorgen um ihren Mann und ihren Kindern einmal abgesehen, nach so vielen Jahren großer körperlicher
Schmerzen sogar bereit zu sterben. Bella schloss sich meinen Gebeten an.
Wie mir Edward später berichtete, bat ihn Philippa eindringlich, ihr drei Wünsche zu erfüllen – er sollte all ihre Schulden begleichen, die beträchtlich waren; er sollte die Menschen in ihrem Dienst und die Kirchen mit all jenen Zuwendungen und Geschenken bedenken, die sie ihnen vermacht hatte; und er sollte einst an ihrer Seite in Westminster beigesetzt werden und sich von niemandem zu einer anderen Grabstätte überreden lassen. Er weinte und versprach ihr alles, worum sie ihn bat.
Er und sein Sohn Thomas of Woodstock waren bei ihr, als sie am fünfzehnten August, dem Feiertag von Mariä Himmelfahrt, im zweiundvierzigsten Jahr von Edwards Regentschaft ihren Atem aushauchte.
Requiescat in pace, edle und innig geliebte Königin.
Der Tod der Königin jagte mir Angst ein. Sie hatte ihr Einverständnis zu meiner Liaison mit ihrem Gemahl gegeben. Würde der König nun zu einer weiteren Heirat gedrängt, dürfte ich bei der neuen Braut auf eine solch vorteilhafte Regelung sicherlich nicht hoffen.
Ich weinte aus Mitgefühl für Edward, ich weinte für das Königreich, das eine so huldreiche Herrscherin verloren hatte, und ich weinte um meinetwillen, über die Unsicherheit, in der ich nun schwebte. Deus juva me.
III-3
»Wie du wohl weißt, den Leuten hier ihr Name
Überall gleichsam als heilig gilt,
Denn bislang konnt, ich schwör’s, noch nie ein Mensch
Sie jemals eines falschen Tuns bezichtgen.«
GEOFFREY CHAUCER:
TROILUS UND CRISEYDE, III 267 – 270
Ich konnte mir Windsor Castle nicht vorstellen ohne Queen Philippas raues Lachen, ihre verzückten Ausrufe, wenn sie Stoffe und Zierrat für ihre Gewänder durchsah, ihre beinahe kindliche Ungeduld, wenn der Zeitpunkt einer lang vorbereiteten Feierlichkeit näherrückte. Auch die Zeremonien des Hosenbandordens konnte ich mir nicht ohne sie vorstellen. Im Grunde konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie der Hof ohne Philippas lenkende Hand funktionieren sollte. Princess Joan weilte noch immer in Aquitanien. Princess Isabella war zwar wieder am Hof, nachdem ihr Gemahl de Coucy nach Frankreich zurückgekehrt war – sie letztlich verlassen hatte –, aber die Führung des Hofstaats traute ich ihr nicht zu.
Mehr als alles andere jedoch fürchtete ich, dass mit Philippa auch ein Teil von Edward gestorben und er nun verwundbarer geworden sein könnte. Ich nahm mir vor, ihn mit meiner schützenden Liebe zu umfangen und vor Unheil zu bewahren.
Da er nun zwangsläufig eine Weile auf Windsor gebunden sein würde, hatte Edward es mir freigestellt, in eines meiner Häuser zu ziehen, sobald ich mich dazu in der Lage fühlte. Auf meinen Ausritten in Fair Meadow erlebte ich, wie sehr der Tod Queen Philippas das gesamte Königreich erschüttert hatte. Selbst bei mir auf dem Land sah ich Händler, den örtlichen Pfarrer, Nachbarn, meine eigenen Pächter und mein Gesinde um die Königin trauern, als wäre sie ihre engste Vertraute gewesen.
Auf meinen geschäftlichen Abstechern nach London erschien mir gemeinhin die Stimmung des Verlusts derart greifbar, dass es kaum zu ertragen war. In den Kirchen beteten die Priester für den König und dessen gesamte Familie, wobei sie an all die Schicksalsschläge erinnerten, die das Königshaus in den letzten drei Jahren erlitten hatte, und den Tod der Königin als schrecklichen Gipfelpunkt einer langen, leidvollen Zeit beschrieben. Ich hatte nicht gedacht, dass die einfachen Bürger von
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