Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
er sie auf das Tischchen, nahm seinen breitkrempigen Hut ab, fuhr sich über die Stirn und schob dabei seine Kapuze nach hinten. Seinen Umhang behielt er jedoch an, was tatsächlich auf einen kurzen Besuch deutete. Ich hatte ihn noch selten so befangen erlebt.
»Ihr kommt in offizieller Mission?«, fragte ich. »Einer Mission, die eher unangenehmer Natur ist?«
Als er meinen Blick erwiderte, lag ein entschuldigender Ausdruck in seinen Augen. »Ich bin hier, um Euch nach King’s Langley zu rufen. Seine Königliche Hoheit benötigt Euch.«
»Jetzt?« Ich hatte nicht erwartet, vor der Beisetzung der Königin einbestellt zu werden, und die Feierlichkeiten waren auf die Zeit nach Weihnachten verschoben worden. »Gewiss nicht. Es ziemt sich nicht für seine Mätresse, ihn während der Trauerzeit zu besuchen.«
An seinem Zögern konnte ich erkennen, dass Wykeham diese Meinung teilte, dennoch entgegnete er: »Aber so ist es. Er ist der König, und er bestellt Euch ein.« Wykeham brach ab, um den Becher Wein entgegenzunehmen, den ein Diener ihm reichte. »Der Duke of Lancaster hat mich ebenfalls gebeten, dafür zu sorgen, dass Ihr dem König zur Seite steht. Er schrieb, dass Seiner Hoheit die einfühlsame Führung durch eine Frau stets wohltut und dass gegenwärtig Ihr diese Frau seid, Dame Alice. Den König entspannt Eure Gesellschaft, er ist dann … maßvoller.« Er verstummte und nahm einen tiefen Schluck.
»Gegenwärtig bin ich diese Frau.« Ich schnappte nach Luft. »Bestehen Pläne für eine Wiederheirat des Königs?«
Wykeham knurrte verlegen. »Verzeiht bitte meine Wortwahl.
Von einem solchen Vorhaben ist mir nichts bekannt. Meinem Verständnis nach ist Seine Hoheit mit der Lage durchaus zufrieden, und seine Söhne verspüren kein Bedürfnis nach … möglichen Widersachern.«
»Sollte sich daran etwas ändern, werdet Ihr mich davon unterrichten?«
Er legte seine Hand aufs Herz und verbeugte sich.
»Gott wacht über mich durch Eure Freundschaft, Mylord. « Ich verdrängte diese Sorgen … einstweilen. »Wie geht es denn Seiner Hoheit genau? Worauf sollte ich gefasst sein?«
»Viel Jagen, viel Reiten, viel Trinken und viel Spielen. Als wolle er dem Leid, das ihn verfolgt, enteilen. Wir hoffen, dass Ihr ihm helfen könnt, sich seiner Trauer zu stellen.«
Ich beobachtete eine Biene, die den Rand meines Bechers erforschte und dann davonflog. Ach, könnte doch auch ich einfach so davonfliegen! Wie hatte ich mich auf die stillen Herbsttage gefreut, in denen ich auf meinen Besitzungen arbeiten, meine Kinder um mich haben und mich um meine gebrechlicher werdende Großmutter kümmern wollte. Allerdings vermisste ich Edward auch. »Ein Mitglied der königlichen Familie wäre da vielleicht gebührlicher.«
»Da Princess Joan noch in der Gascogne weilt und Princess Isabella ich weiß nicht wo schmollt, scheint Ihr die naheliegendste Wahl. Ihr werdet ihn an glücklichere Tage erinnern. « Er schenkte mir einen flehenden Blick.
»Natürlich stehe ich meinem König stets zu Diensten.« Ich fasste mir ans Herz und verbeugte mich andeutungsweise vor Wykeham. »Soll ich … darf ich die Kinder mitbringen? «
»Seine Hoheit hat vorgeschlagen, dass sie in Kürze folgen sollen. Im Moment wünscht er nur Euch.« Mit bedauerndem Blick setzte er seinen Becher ab und erhob sich seufzend.
Erst jetzt fiel mir auf, wie erschöpft er war. »Richard Stury wird in zwei Tagen kommen, um Euch zu begleiten. Wo werdet Ihr Euch aufhalten?«
Meine Habseligkeiten waren an verschiedenen Orten verstreut. »Fair Meadow. Dort ist meine Garderobe. Ihr könnt Euch gerne noch eine Weile hier ausruhen, Mylord.«
Er griff nach seinen Handschuhen. »Habt vielen Dank, liebend gerne, wenn es nur in meiner Macht stünde. Aber ich muss vor Sonnenuntergang noch weitere Besuche abstatten. «
Er küsste mir die Hand, segnete mich und war verschwunden, bevor ich ihn noch fragen konnte, wie ich seiner Meinung nach Edward dabei helfen sollte, ›sich seiner Trauer zu stellen‹. Die Stimmung, die er beschrieben hatte, war mir nur allzu vertraut, und gewöhnlich war es mir auch gelungen, Edward für eine gewisse Zeit daraus zu befreien. Doch unter den gegenwärtigen Umständen würde dem vermutlich nur Erschöpfung, ein völliger Zusammenbruch, ein Ende bereiten.
Bella kam zurück, bevor ich mir noch überlegen konnte, wie ich ihr am besten sagen sollte, dass ich in zwei Tagen erneut fortmusste.
»Wirst du zum König gehen?«, fragte sie.
Meine
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