Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Gefährlichkeit solcher Geschenke nicht wahrhaben. Es war blanker Wahnsinn.
Im Oktober ritt ich in Havering eines Morgens alleine aus und stieß bei meiner Rückkehr in der Halle auf William Wyndsor, der seine Schultern trotzig hochgezogen hatte und einen wütend in sich versunkenen Eindruck machte. Er kam aus der Richtung von Edwards Gemächern. So vertieft war er in seine Gedanken, dass er mich überhaupt nicht bemerkte. Erst als ich unmittelbar vor ihn trat und laut und scharf seinen Namen rief, blieb er stehen und sah auf.
Obwohl ich ihm gerne aus dem Weg gegangen wäre, konnte ich mir das einfach nicht leisten, und so setzte ich meine freundliche Hofmiene auf. »William, was ist geschehen?«
Er schüttelte knurrend den Kopf und drängte sich an mir vorbei, drehte sich nach ein paar Schritten jedoch wieder um. »Du hast schon genug angerichtet. Lass mich!«, sagte er in dem ungehaltenen Ton, den er ungezogenen Hunden gegenüber anschlug – und er mochte keine Hunde.
Da ich nicht begriff, wessen ich hier beschuldigt wurde, folgte ich dem davoneilenden William. Draußen im Hof
packte ich ihn an der Schulter und verlangte: »Wenn Ihr mich schon beschimpft, habt wenigstens den Anstand zu sagen, was ich getan haben soll.«
»Seine Hoheit hat die Anklagen gegen mich abgewiesen und schickt mich nach Irland zurück.«
Ich hätte beinahe darüber lachen müssen, dass er diese gute Nachricht so zornig hervorstieß. »Ich denke, dies sollte Euren Wünschen entsprechen.«
»Ich kehre nur als Abgesandter des Königs zurück, nicht als sein Statthalter.«
Ich blickte in seine schönen Augen und sah darin einen habgierigen, verdorbenen Jungen. »Titel bedeuten wenig, William. Ihr seid von den Anklagen freigesprochen und werdet Euren Posten wieder antreten. Da solltet Ihr feiern, nicht mich beleidigen.«
Mit einem eisigen Blick, der mich frösteln ließ, schob er meine Hand von seiner Schulter und schritt davon. Ich war keineswegs betrübt darüber, ihn gehen zu sehen, verblüfft war ich dennoch. Und ich fühlte eine gewisse Bedrohung, auch wenn ich nicht zu sagen wusste, woher sie rührte. Mir fiel auf, dass er nicht erklärt hatte, was ich seiner Meinung nach mit diesen Entwicklungen zu schaffen hatte.
Abends erzählte mir Edward von seiner William betreffenden Entscheidung. Er war den ganzen Nachmittag in charmanter, liebevoller Stimmung gewesen. Wir hatten einen langen Spaziergang im Park unternommen, ein vorzügliches Mahl genossen und uns ausgeruht – er hatte darauf bestanden, dass ich bei ihm bleibe –, und seit wir wieder wach waren, tranken wir verdünnten Wein und schwelgten in Erinnerungen an unsere gemeinsamen Jahre. Bei seinem Bericht über William wirkte er merkwürdig vergnügt, so als würde er sich selbst dazu beglückwünschen, jemandem eine Niederlage beigebracht zu haben. Vermutlich William.
Ich sprach zwar nur ungern mit Edward über ihn, aber jetzt konnte ich mich nicht zurückhalten.
»Verzeih mir, Liebster, aber ich begreife deine Stimmung nicht«, sagte ich. »Einerseits bist du froh darüber, einen getreuen Verweser nicht abstrafen zu müssen, andererseits scheinst du zu glauben, ihn übertölpelt zu haben.«
Edward lachte auf. Es war ein tiefes, zufriedenes Lachen. »Er behauptet, du seist ihm versprochen – du seist ihm schon seit Jahren versprochen. Ich wünschte ihm alles Gute für nach meinem Tod. Bis dahin gehörst du mir, und er wird weit weg von dir bleiben.«
Ich glaubte, ersticken zu müssen, so schwer fiel mir das Atmen plötzlich. William hatte mich nicht nur hintergangen, er hatte mich entehrt.
Ohne sein Lächeln aufzugeben, ergriff Edward meine Hände und sah mir in die Augen. »Alice, ich liebe dich viel zu sehr, um dich mit einem anderen Mann zu teilen.« Er küsste meine Hände. Als er wieder aufsah, war sein Lächeln verschwunden. »Ich schütze dich vor einem Mann, der deiner nicht wert ist. Er ist hinterlistig und raffgierig, und wütend auf die ganze Welt für deren vermeintliche Kränkungen. «
»Edward, mein Lieb.« Ich kam wieder zu Atem. »Ich stimme dir in allem zu, was du über ihn sagst. Ich habe schon vor langer Zeit seinen oberflächlichen Charme durchschaut, und ich habe ihm niemals die Ehe versprochen. Ich habe ihn abgewiesen. Ich liebe dich. Nur dich.«
»Ich trage es dir nicht nach, dass du Vergnügen in den Armen eines Jüngeren suchst.« Er hob eine Hand, um meinem Widerspruch zuvorzukommen. »Ich habe gewusst, dass du einen anderen getroffen
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