Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
als Sonnenkönig aufzutreten, an dessen Seite ich, als seine Turnierdame, die Sonnenkönigin verkörpern sollte. Solche Turniere begannen stets mit Festzügen durch die Stadt, und ich hatte mich daran gewöhnt, eine gewisse Rolle darin zu spielen. Doch diesmal erwartete er von mir, in einer goldenen Kutsche sitzend die Hofdamen anzuführen. Ich sah Lancaster und all die anderen Höflinge schon vor mir, wie sie meinen Auftritt voller Hohn und Verachtung verfolgten.
»Als meine Sonnenkönigin wirst du so majestätisch und von wilder Schönheit aussehen wie dieser herrliche Vogel, Alice«, erklärte Edward, während er den Kopf in den Nacken gelegt hielt und einen in der Luft schwebenden Falken betrachtete.
»Edward, nein, es ist undenkbar, dass ich eine solche Rolle übernehme. Lass Princess Joan deine Königin sein.«
Ich hatte ihn nach draußen gelockt, um dem Falkner beim Abrichten neuer Vögel zuzusehen, und gehofft, diese Ablenkung würde mir erleichtern, ihm sein Vorhaben auszureden. Wir saßen am Ende eines hübschen Laubengangs auf einer Bank und ließen uns von der Sonne durchwärmen.
»Du bist meine Königin, zwar nicht dem Titel, aber dem Geiste nach, Alice, und ich will es so haben.« Er sprach in einem leisen Plauderton, ohne den Blick von den Vögeln zu wenden.
»Nein, Edward, ich bin nicht deine Königin, sondern die Tochter eines Kaufmanns, der beigebracht wurde, ihren Platz zu kennen.«
Er griff nach meiner Hand und drückte sie. »Dein Platz ist an meiner Seite, Liebste.«
Ich konnte mir nicht noch mehr Feinde leisten. Also entzog ich ihm meine Hand und kniete mich vor ihn. »Edward, bitte schau mich einen Moment an.«
Mit zusammengekniffenen Augen, deren herrliches Blau das Alter mittlerweile eingetrübt hatte, sah er auf mich herab. »Du bist so schön …«
»Edward, ich flehe dich an, hör mir zu. Versteh doch, dass du mich in Gefahr bringst, wenn du darauf bestehst, mich als Sonnenkönigin zu präsentieren.«
»Du wirst mir diese Freude nicht nehmen, Alice.« Er lächelte nicht mehr.
»Princess Joan …«
»Nein. Mein Sohn ist zu krank, um mitzuwirken. Seine Frau wird seine Abwesenheit gewiss nicht noch herausstellen wollen, indem sie an meinem Arm erscheint.« Mit steigender Erregung setzte bei Edward ein Kopfwackeln ein,
das die Pfauenfedern an seinem Hut zum Zittern brachte. »Du musst mir vertrauen. Du musst dabei sein.«
Seine Verfassung war viel zu schwach, um einen Wutausbruch zu riskieren. Ich lenkte sofort ein. »Mein Lieb, mein Lieb, sei ganz ruhig. Wir werden später darüber reden.« Ich erhob mich, nahm wieder neben ihm Platz und küsste ihm Hand und Wange.
Doch jedes Mal, wenn ich ihm die Sache ausreden wollte, erregte er sich so, dass mir angst und bange wurde. Am Ende fand ich mich mit der Niederlage ab, verdrängte all meine Ängste und tat alles dafür, dem Turnier zum Erfolg zu verhelfen.
In solchen Zeiten vermisste ich Queen Philippa am meisten – ihre überschwängliche Begeisterung, mit der sie uns in den wochenlangen Vorbereitungsarbeiten antrieb, ihr fast kindliches Entzücken über unsere Fortschritte und ihr Staunen über die Ergebnisse. Sie hatte uns aufgeheitert und alles in ein unschuldiges Vergnügen verwandelt. Es bereitete mir noch immer Freude, kostbare Stoffe, Federn, Knöpfe und Juwelen für die Festgewänder auszusuchen, Silber – und Goldfäden, silbernes und goldenes Tuch, jetzt hatte ich jedoch niemanden mehr, mit dem ich dieses Vergnügen teilen konnte. Princess Joan und Edwards Tochter Isabella waren nur wenig interessiert, während die Näherinnen und Bedienten, die mit mir arbeiteten, sich meist still ihren Aufgaben widmeten, und ich nicht über das Talent der Königin verfügte, sie aufzuheitern und mitzureißen.
Es war letztlich Edward, der ihre Begeisterung zu wecken vermochte. Er machte sich die Mühe, jeden Abend in der Nähstube zu erscheinen, um die Fortschritte zu begutachten. Dann saßen die Frauen mit demütig gesenkten Augen auf ihren Plätzen und hörten zu, wie ich ihm die Feinheiten ihrer Arbeiten auseinandersetzte. Anschließend lobte er alles
schwärmerisch und verlangte von mir noch prächtigere Entwürfe mit noch mehr Gold, noch mehr Silber … mehr, mehr, mehr.
»Wir preisen hier die Herrlichkeit Englands«, tat er dann allen im Raum kund. »Ich möchte meinem Volk ein überwältigendes Schauspiel liefern.«
Prompt bestürmten mich am nächsten Morgen die Frauen, um zu sehen, was ich den Entwürfen hinzugefügt
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