Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
hatte, damit sie ihrem geliebten König, der noch immer der König ihrer Herzen war, auch wirklich Ehre machten. Ihre Begeisterung war nun so groß, dass ich von ihr angesteckt wurde.
Als alles fertig war, betrachtete ich die Gewänder mit ehrfurchtsvoller Scheu und bangte dem Spektakel entgegen, bei dem mir eine solch zentrale Rolle zugedacht war. Mein Gewand bestand wie das von Edward aus goldenem Tuch. Die Kettfäden waren aus roter Seide, während für die im Vordergrund stehenden Schussfäden feinster Golddraht Verwendung gefunden hatte. Das Rot passte zu den Rubinen, die auf das Sonnenlicht verweisen sollten. Nachdem unsere Gewänder fertig zugeschnitten, genäht und angepasst waren, wurden mit Goldfäden Sonnenstrahlen aufgestickt, die Balas-Rubine und Diamanten einfassten, welche ebenfalls Symbole der Sonne darstellten. Selbst mein Umhang war aus goldenem Tuch und nach hinten gerafft, um meine Schulter unbedeckt zu lassen. Vom Hals bis zum tief sitzenden Ausschnitt meines Schnürleibs trug ich ein hauchdünnes Goldgewebe, das fast unsichtbar wirkte und mit großen Rubinen und Diamanten besetzt war. Zum ersten Mal würde ich mich an Edwards Seite tatsächlich wie eine Königin fühlen.
Am Morgen des Festzugs schlug mein Herz so schnell, dass ich mich einer Ohnmacht nahe fühlte. Alle meine ursprünglichen Bedenken kehrten zurück. Zu allem Überfluss musste der aufwendige Kopfschmuck, der mit viel Goldgewebe
einen strahlenden Sonnenkranz um mein Gesicht formte, fest mit meinem darunter aufgewickelten Haar verbunden werden, damit der Wind ihn nicht fortwehen konnte. Ich spürte die Stiche der Nadeln bei jeder abrupten Kopfbewegung. Gwen benötigte sechs Helferinnen, um mich anzukleiden. Mein Haar, meine Haut, alles war von goldenem Gewebe überzogen. Schließlich traten die Frauen einen Schritt zurück und betrachteten mich mit großen Augen. Die Näherinnen, die sich für letzte Ausbesserungen in Bereitschaft hielten, spendeten Applaus.
Als Gwen den langen Spiegel für mich hochhielt, erkannte ich mich zuerst selbst nicht. So hatte ich mir das Aussehen heidnischer Göttinnen vorgestellt.
Schon bei seinem schwungvollen Auftritt war der neue Elan zu spüren, den Edward aus seinem eigenen prächtigen Kostüm zog. Mit weit ausgebreiteten Armen verkündete er, dass ich von Kopf bis Fuß die makellose Verkörperung der Sonnenkönigin sei.
»Du bist wundervoll, Alice, meine Liebste!«
»Ihr aber auch, mein König«, sagte ich und glitt zu ihm, um seine dargebotene Hand zu nehmen. Mein Kopfputz war zwar von erträglichem Gewicht, mein Gewand jedoch weniger. Doch ich beklagte mich nicht. Ich würde Edward den Tag nicht verderben.
Die Hofdamen lächelten gekünstelt über mein Kostüm, als wir uns zum Festzug aufstellten, aber ihre Augen blitzten eisig. Gekleidet in silbernen Gewändern und einfachen silbernen Schleiern, die von passenden Haarbändern gehalten wurden, sollten sie hinter mir schreiten und die Pferde führen, auf denen ihre ebenfalls in Silber gehüllten Herrn ritten. Ihr einziger Schmuck bestand aus Perlen. Es war das kalte Mondlicht, das meiner blendenden Glorie folgte.
Unser Festzug würde das Londoner Viertel Cheapside durchqueren, das nicht weit von meinem Elternhaus entfernt lag. Meine goldene Gestalt und das Gefolge aus silbernen Höflingen sollten in einiger Distanz zu Edward bleiben, der eigentlich auf einem weißen Hengst hatte reiten wollen, dann aber zu einer goldenen Kutsche überredet worden war, damit ihm noch die Kraft blieb, den traditionellen Einritt zur Eröffnung des Turniers zu bewältigen. Jubelnde Menschenmengen begrüßten ihren König, der Jubel verebbte indes sofort, wenn er vorüber war, und die Blicke sich auf meinen sich nähernden Wagen richteten. Niemals werde ich den Ausdruck in den Augen vergessen, erst verdutzt, dann wie geblendet, dann schockiert und schließlich erbost, während der Jubel langsam den Missfallensbekundungen Platz machte.
»Dirne! «, riefen sie mir zu. »Metze!«
Obwohl die Sonne warm vom Himmel schien, fröstelte es mich bis ins Mark. Die Londoner sahen in mir kein Symbol von Englands Herrlichkeit, sondern bloß die Thronräuberin ihrer geliebten Queen Philippa. In meiner Person glaubten sie den Verdacht bewahrheitet zu finden, dass die Kriegsgelder nur einem verschwenderischen Hof und der Vernarrtheit eines alternden Königs in seine junge, raffgierige bürgerliche Mätresse gedient hatten. Trotz der Scham, die mich rot anlaufen ließ, wankte
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