Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
geliebten Großmutter verbrachte, in ständiger Sorge. Um ehrlich zu sein, stellte ich mir während meiner Wache an ihrem Bett vor, wie ich so an Edwards Sterbebett sitzen würde. Mit einunddreißig Jahren drehten sich all meine Gedanken ums Sterben der Generation vor mir.
War ich ausnahmsweise doch einmal von meinen Pflichten
am Hof befreit, holte ich meine Töchter im Haus meiner Schwester Mary ab, schickte nach Robert, wenn er nicht zu weit fort war, und wir verbrachten einige erholsame Tage in London oder auf Fair Meadow. Ich ritt so viel wie möglich und suchte in den passenden Jahreszeiten Entspannung bei der Beizjagd. Wenn ich dann die Geschühriemen meiner Falken löste und ihnen befahl emporzusteigen, träumte ich davon, an ihrer Stelle zu sein und frei umherzufliegen, mich wie im Rausch höher und höher in die Lüfte zu schrauben, bevor ich wieder auf den Handschuh meines Herrn zurückkehrte. Doch diese Erholungspausen waren selten und kurz.
Meinem Zusammensein mit Edward haftete nun eine bittersüße Schwermut an, da sein körperlicher und geistiger Verfall mich ständig daran erinnerten, dass unsere gemeinsamen Tage gezählt waren. Es versetzte meinem Herz einen Stich, wenn ich an mein Leben mit ihm zurückdachte. Mit Edward würde ich nicht nur einen Geliebten und einen Gebieter verlieren, sondern auch einen Freund, dem ich all meine Geheimnisse anvertrauen konnte. Von Edwards Familie hatte ich nach seinem Tod nichts zu erwarten, einmal abgesehen vom Ritterschlag für unseren Sohn John, den Edward mir für die großen Feierlichkeiten zu seinem fünfzigsten Thronjubiläum in vier Jahren fest zugesagt hatte. Er hatte sich sowohl von Prince Edward als auch von Duke John versprechen lassen, dass sie die Ernennung durchführen würden, sollte er vor diesem Datum sterben. Und was unsere Töchter betraf, vertraute Edward fest darauf, dass die Besitzungen, die ich erworben hatte, stattliche Aussteuern für Joan und Jane abwerfen und ihnen erlauben würden, einen Mann niederen Adels oder einen reichen Händler zu ehelichen.
»Warum liebst du unsere Töchter eigentlich weniger als John?«, fragte ich ihn.
»Wie kannst du mir einen solchen Vorwurf machen, Alice? Ich bringe ihnen ebenso viel Liebe entgegen wie John. Und ich glaube, ich habe den beiden weitaus mehr Geschenke zukommen lassen als ihm.«
»Aber er wird ein Ritter sein, anerkannt und geachtet als dein Sohn. Sie hingegen werden keine solche Stellung genießen. Könntest du sie nicht als deine leiblichen Kinder anerkennen, Edward, und ihnen den Vorteil eines adligen Titels gewähren?«
»Warst du als Gemahlin von Janyn Perrers glücklich?«
»Das weißt du doch.«
»Warum sollten sie in ähnlichen Verbindungen dann nicht auch glücklich werden?«
»Weil sie wissen, dass sie Töchter des Königs sind. Durch ihre Adern fließt dein Blut, Edward. Sie werden deinen Stolz haben.«
In dieser Frage war er zu keinem Einlenken bereit. Gott steh mir bei, aber diese Kränkung seiner Töchter konnte ich ihm nicht verzeihen.
Doch ich liebte ihn weiterhin, wenn auch anders als früher. Ich empfand Zärtlichkeit für ihn, eine Zuneigung, wie ich sie mir in den späten Jahren einer langen Ehe vorstellen konnte. Sein weißes Haar wurde schütterer, und die Haut hing schlaff von seinem noch aufrechten, aber häufig schmerzenden Körper. Saß er lange, schwollen ihm die Gelenke an. Er sabberte im Schlaf. Stand er allerdings und war in seine majestätischen Gewänder gehüllt, machte er noch immer eine eindrucksvolle Figur, und an den meisten Tagen war sein Verstand klar und scharf, seine Weisheit groß, und seine Liebe für mich unbeirrbar.
Im sechsundvierzigsten Jahr seiner Regentschaft, vier Jahre nach dem Tod Philippas, schenkte mir Edward Diamanten,
Rubine und Smaragde, die ihr gehört hatten. Einige der Arbeiten waren mir nur zu vertraut – etwa ein Diadem mit Lilienblüten aus Diamanten und Rubinen, ein goldener Ring mit einem großen, in Lapislazuli gefassten Smaragd sowie ein mit Diamanten besetzter Gürtel aus Gold – und Silbergliedern, um nur meine Lieblingsstücke zu nennen. Außerdem noch einzelne Edelsteine, die zu all den Perlen hinzukamen, die ich schon erhalten hatte und weiterhin erhielt. Ich erinnerte mich noch gut an Geoffreys Warnung über den Klatsch, den bereits der weitaus unbekanntere Schmuck an meiner Weihnachtsgarderobe ausgelöst hatte. Wie ich diese Stücke hier bei Hofe tragen sollte, war mir ein Rätsel. Edward wollte die
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