Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
sein.
Im Spätsommer suchte eine Horde Barbaren mein Landhaus bei Finningley in Nottingham heim, stahl Vieh und verstümmelte oder vertrieb den Rest, wobei die in Panik fliehenden Rinder einen Teil der Ernte zerstörten. Anschließend hielten sie mein Gesinde und meine Pächter so lange im Haus gefangen, bis sie einen Eid ablegten, dass sie meine Dienste verlassen würden. Die Brutalität des Angriffs schockierte mich. Ich glaubte, mit Entschiedenheit darauf reagieren zu müssen, weil sonst der Eindruck entstünde, dass sich solche Übergriffe gefahrlos wiederholen ließen. In Wahrheit wollte ich Rache. Wykeham überredete mich jedoch, den Zwischenfall lieber zu untersuchen, ohne allzu große Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ich sandte Robert und Richard Lyons aus, um vor Ort nachzuforschen und die Schäden zu begutachten.
Edward erlitt seine Anfälle jetzt immer häufiger, außerdem wuchsen ihm schmerzhafte Geschwüre, die anfangs sogar für Anzeichen der Pest gehalten wurden. Seine Leibärzte sahen deren Ursachen indes eher in fehlerhafter Ernährung und Edwards leichter Erregbarkeit. Mehr als ihre Worte beruhigte
mich allerdings, dass sie an seiner Seite blieben und sich selbst um ihn kümmerten. Nach einem Besuch Bellas, der eine sehr besänftigende Wirkung auf ihn hatte, fragte Edward häufig nach ihr, und mit Erlaubnis ihrer Äbtissin stand sie mir schließlich während meiner langen Nachtwachen in seinem Gemach bei. Auch mir schenkte ihre Anwesenheit großen Trost.
Während mein Liebster dem Alter und den Krankheiten immer stärker Tribut zollen musste, wuchs mein Gefühl der Hilflosigkeit, wenn ich ihn in die Gegenwart und zu geistiger Klarheit zurückreißen wollte. War ich an seiner Seite, hielt ich meine Hände mit dem Rosenkranz oder Näharbeiten beschäftigt, und war ich nicht bei ihm, kniete ich entweder in der Kapelle oder ritt bis zur völligen Erschöpfung und brachte dem Wind die Opfergabe meiner Tränen dar, als würde ich glauben, die so mit dem Extrakt meiner innersten Empfindungen getränkte Luft könnte in Edward strömen und ihm neue Lebenskraft spenden. Ich wollte ihn wieder zurückhaben. Ich wollte, dass unser Leben wieder so war wie früher.
In diesen dunklen Tagen war Bella mein großer Beistand und meine Freude. Wenn Edward schlief, saßen sie und ich in meiner Kammer und sprachen über ihn. Bella wollte alles über unsere gemeinsamen Jahre wissen, über die glücklichen Momente, die wir erlebt hatten. Nach ihrem eigenen Vater erkundigte sie sich ebenfalls. Ich hatte stets gezögert, ihr die Geschichte von der Bindung seiner Familie an die Königinwitwe und von der darin gründenden Tragödie zu erzählen, da ich fürchtete, sie könne Edward wegen des Anteils, den dessen Mutter daran hatte, hassen und mir zum Vorwurf machen, dass ich bei ihm geblieben war. Doch jetzt schien der richtige Augenblick, sie in alles einzuweihen, und so breitete ich die Geschichte über mehrere Abende hinweg
vor ihr aus. Ihr Verhalten mir gegenüber änderte sich im Verlauf jener Tage auf sehr feinfühlige Weise. Zu Anfang war sie vorsichtig und zurückhaltend, dann neugierig und am Ende voller Mitgefühl.
Als ich die Geschichte abgeschlossen hatte, streckte Bella die Arme aus, legte eine Hand auf jede meiner Wangen und sah mir tief in die Augen, während sie mich zärtlich hielt. Nach einer Weile küsste sich mich auf die Stirn. Es fühlte sich wie eine Segnung, aber auch wie eine Absolution an.
»Fast hätte ich gesagt, dass ich gar nicht wusste, wie unglücklich Ihr gewesen seid, aber das stimmt nicht. Unter Eurer Fröhlichkeit habe ich immer eine unbeschreibliche Traurigkeit gespürt«, sagte sie. »Warum habt Ihr mir nie davon erzählt?«
»Ich wollte nicht, dass du mit dieser Belastung aufwächst«, sagte ich. »Als ich sah, wie verängstigt du in Queen Joans Haus warst, habe ich mir geschworen, dich nie wieder dorthin zurückzuschicken und alles in meiner Macht Stehende zu tun, um dir jene Freude zu verschaffen, die Janyn und ich für dich im Sinn hatten.«
Bella neigte den Kopf für einen Moment, so dass der Schleier ihr Gesicht vor mir verbarg. Ich fürchtete, sie würde weinen, und meine alten Schuldgefühle lebten wieder auf. Mir waren damals die Hände gebunden gewesen, dennoch hatte mich das Gefühl nie losgelassen, ich hätte darauf bestehen sollen, sie häufiger zu sehen. Doch als meine Tochter aufsah, hatte sie die Fassung wiedergefunden.
»Um ehrlich zu sein, habe ich auch einige
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