Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Mitgefühl ausmachen.
Mir war ein großes, schönes Schlafgemach im Palast zugewiesen worden, in dem ich zuvor noch nie gewesen war, doch ich erkannte einige Tapisserien, Kissen und Truhen wieder, die einst mir gehört hatten. Offenbar hatte dies jemand als freundliche Geste gemeint. Gwen fand in den Truhen noch einige meiner eleganteren Gewänder, und mit ein wenig Arbeit änderten wir die Ausschnitte so, dass sie weniger aufreizend wirkten. Schmuck legte ich keinen an. Was ich an Juwelen noch besaß, hatte ich versteckt.
Am Morgen war ich bereit. Obwohl ich den fehpelzgefütterten Umhang erst auszog, als ich die Tür des Raums erreichte,
in dem ich meinen Anklägern gegenübertreten würde, begann ich bereits beim Verlassen meiner Kammer zu zittern. Ich wusste noch, wie ich diesen Weg zusammen mit Edward gegangen war und wie er dabei Kraft aus meiner Nähe gezogen hatte. Jetzt verlieh mir die Erinnerung daran Mut.
Endlose Stunden musste ich vor dem Parlament stehen. Ich versuchte, nicht in ihre wütenden Gesichter zu sehen, nicht von ihrem Hass angesteckt zu werden. Wehrlos stand ich vor ihnen, ohne das Recht, mich zu meiner Verteidigung zu äußern, wie eine Sünderin am Pranger.
Zwei der gravierenderen Beschuldigungen gegen mich waren zwar Lügen, gründeten aber immerhin auf so viel Wahrheit, dass ich sie unmöglich würde völlig entkräften können. So wurde mir vorgeworfen, meinen Einfluss beim König geltend gemacht zu haben, um zu verhindern, dass Nicholas Dagworth nach Irland ging und dort die Beschuldigungen gegen William Wyndsor untersuchte. Des Weiteren hätte ich den König dazu überredet, Entschädigungen zugunsten von Richard Lyons zu leisten. Sowohl William als auch Richard wurden als meine Geschäftspartner bezeichnet.
Ich war als femme sole angeklagt, als eine unverheiratete Frau, die allein für ihre Taten verantwortlich ist. Hätte ich nicht so entsetzliche Angst verspürt, wäre ich womöglich darüber ins Schmunzeln geraten, dass ich allein dafür verantwortlich sein sollte, meinem König und dessen Familie Gehorsam erwiesen zu haben.
Im Verlauf der Verhandlung vervielfachten sich die Anklagepunkte. Vom Parlament dazu angeregt, traten nun plötzlich Leute vor, um irgendwelche Ansprüche anzumelden. Die Anschuldigungen waren im Wesentlichen völlig banal. Einige forderten nörgelnd vermeintlich unbeglichene Zahlungen ein, andere behaupteten wutentbrannt, ihre Angehörigen
seien genötigt worden, mir Land zu Lehen zu geben, das sie jetzt nicht mehr zurückbekommen könnten – die üblichen belanglosen Beschwerden also, die gegen wohlhabende Personen vorgebracht wurden. Dennoch waren sie gefährlich, denn sie erfolgten auf Bestellung. Das Parlament suchte nach ausreichenden Gründen, mich ein für alle Mal abzuurteilen.
Aus den nichtigen Beschuldigungen hörte ich auch heraus, dass Richard Stury richtig vermutet hatte. Sie brauchten jemanden, dem sie die Rückschläge anhängen konnten, die das Königreich in den letzten Regierungsjahren Edwards erlitten hatte – so viel Herrschaftsgebiet war im Westen Frankreichs nach Jahren kostspieliger Feldzüge verlorengegangen, so hoch war die Steuerlast geworden. Natürlich glaubte niemand, dass ich diese Niederlagen irgendwie verursacht hätte, aber sie warfen mir vor, den König mit unseren Liebesspielen geschwächt zu haben.
Offenkundig waren wir zu erfolgreich darin gewesen, den Leuten seine Krankheit zu verheimlichen, und keiner aus der königlichen Familie trat nun zu meiner Verteidigung vor. Sie konnten es sich nicht leisten, Diskussionen über schwache Regenten zu entfachen, immerhin ein Streitpunkt, der in den Herrschertagen von Edwards Vater zu einem bewaffneten Aufstand geführt hatte. Mit einem kleinen Jungen auf dem Thron wäre ein solcher Disput derzeit höchst gefährlich.
Selbst mein Seelenzustand schien unter Anklage zu stehen. Um den Nachweis zu führen, ich hätte King Edward mit einem Zauber belegt, spürten sie den Dominikanerbruder Dom Clovis auf, an den ich mich vor vielen Jahren einst gewandt hatte, und verhafteten ihn.
Ich hörte, wie Lancaster mich zur treibenden Kraft hinter Edwards Haltung erklärte, sich bei der Bewertung von Williams
Amtsführung in Irland nicht allein auf den vorurteilsbehafteten Nichols Dagworth verlassen zu wollen. Ein halbes Dutzend ehemaliger hoher Hofbedienter, die ich, wenn auch nicht als Freunde, so doch gewiss nicht als meine Feinde betrachtet hatte, lieferte völlig übertriebene
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