Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
versteckt gehalten hatte. Sie verstand es ausgezeichnet, Gespräche unbemerkt zu belauschen, und begriff weit mehr, als ich erwartet hatte. Sie beeilte sich, Jane, Joan und Bella zu erzählen, dass William Wyndsor deren neuer Vater würde. Ihre Geschichte wäre wahrscheinlich noch weitaus verwirrender ausgefallen, hätte sie abgewartet, was Robert und ich besprachen, wie wir uns umarmten und uns gegenseitige Treue gelobten. Bislang schienen nur meine Schwester und Gwen bemerkt zu haben, was sich zwischen Robert und mir anspann.
Bella beruhigte ihre Halbschwestern und kam anschließend zu mir mit der Geschichte.
»So jung und schon solch ein zänkisches Weib. Der arme John«, murmelte sie. »Wie wollt Ihr ihn davor retten? Euch wird doch bestimmt etwas einfallen, damit sie die Heirat von sich aus annulliert, oder?«
»Derzeit ist ein schlechter Moment, um sich Henry Percy zum Feind zu machen. Ich bin viel zu leicht angreifbar.« Ich richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Punkt, der mir im Augenblick erheblich wichtiger erschien. »Sag mir, hat Joan und Jane denn die Vorstellung, William Wyndsor könnte in unsere Familie kommen, nicht gefallen?«
Während Bella mit irgendeiner Entscheidung zu kämpfen schien, betrachtete ich ihr holdes Gesicht, das, eingefasst vom steifen Schleier ihrer Ordenstracht, schöner denn je wirkte. Endlich sah sie mir in die Augen und meinte: »Nein, sie mögen ihn nicht. Und ich auch nicht, Mutter. Ich weiß, es steht mir nicht zu, über Eure Wahl eines Ehemanns zu urteilen, aber habt Ihr nicht schon genug Leid ertragen müssen? Wäre es nicht besser, Ihr würdet jemanden nehmen, der ausgeglichener und verlässlicher ist? Jemanden wie Robert?«
Die Weisheit meines Kindes rührte mich zu Tränen. »Ich habe keineswegs die Absicht, Wyndsor zu heiraten, Bella. Und Robert habe ich bereits meine Treue geschworen. Gleichwohl hege ich große Angst vor dem, was Wyndsor im Schilde führt.« Zum zweiten Mal an diesem Tag sank ich auf eine Bank, diesmal in der Halle, und nun war es meine Tochter, die mir beistand. Sie schloss mich in ihre Arme und wiegte mich zärtlich, während ich weinte.
»Gott wird Euch Frieden gewähren«, murmelte sie. »Gott wird Euch Glück gewähren.« Immer und immer wieder flüsterte sie ihre Fürbitten.
Friede und Glück. Ich wusste sehr zu schätzen, was ich von beidem in diesem Moment besaß, denn ich glaubte nicht daran, das eine oder das andere noch lange genießen zu können.
Über den Sommer hinweg und in den Herbst hinein fand ich nach und nach wieder zu meiner Rolle in der Familie, zu meinen Verwaltungsaufgaben auf den Gütern und zu mir selbst zurück. Es war eine schöne Zeit, wenn auch nicht durchweg geruhsam. Gerüchte machten die Runde, ich solle vors Parlament gebracht werden, um mich für meine ›Verbrechen gegen König und Königreich‹ zu verantworten, aufmüpfiges Geschwätz von ehemaligen Eignern meiner Besitzungen, die hofften, mich wehrlos zu finden und sich ihr Land zurückholen zu können, ohne mich dafür bezahlen zu müssen. Robert, Dom Hanneye und Richard Lyons hatten alle Hände voll zu tun, um mir die hungrigen Wölfe vom Leib zu halten.
Wegen der unruhigen Lage war Robert häufig von Gaynes fort, und ich vermisste ihn sehr. Während des Sommers hatte ich mich jeden Tag auf unsere gemeinsamen Momente und unsere nächste Liebesnacht gefreut. War er auf Reisen,
brachte ich oft Joan und Jane in meine Kammer, um sie bei mir schlafen zu lassen.
Die Gerüchte bewahrheiteten sich. Im ersten Parlament unter der Regentschaft des jungen King Richard wurde ich für meine ›Missetaten‹ angeklagt. Diesmal wurden die Messer gezückt, und sie waren bestens geschärft. Der Duke of Lancaster und Princess Joan versicherten, dass mir nichts geschehen würde, was auch immer die Abgeordneten und das Gericht entscheiden oder mir androhen sollten. Sie empfahlen mir, in Gaynes zu bleiben, bis ich tatsächlich vorgeladen würde. Als ich in Westminster eintraf, untersagte Lancaster es mir, Witwenkleidung zu tragen.
»Ihr seid nicht die Witwe meines Vaters.«
»Dies ist überhaupt keine Trauerkleidung, Mylord.« Ich trug ein dunkles, schlichtes Gewand und einen einfachen Kopfputz ohne jede Verzierung.
»Ihr habt Euch doch nie derart schmucklos gekleidet. Ihr werdet keine Trauerkleidung tragen.« Seine abweisende Haltung jagte mir genügend Angst ein, um nicht weiter zu widersprechen. In seinem Blick konnte ich weder Höflichkeit noch
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