Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
danach, Robert wieder an meiner Seite zu haben.
John erholte sich indes nicht mehr von dieser Schande. Wie sehr ich mir doch wünschte, sein Vater würde noch leben! Edward hätte gewusst, wie sich dies ändern ließe, wie sein Sohn gerettet werden konnte, und John hätte auf ihn gehört. Er brauchte seinen Vater. Zu jung war er seiner beraubt worden. Ich fand jetzt einfach keinen Zugang mehr zu ihm, auch seinen Schwestern gelang es nicht, ebenso wenig Robert oder Geoffrey. Am Ende gab er sich mit William ganz dem Trunk und wahrscheinlich anderen Dingen hin, deren Vorstellung allein mich schon erschauern ließ.
Ich versuchte zwar, meine Aufmerksamkeit ganz auf Joan, Jane und Robert zu richten, aber das grauenerregende Gefühl, meinen geliebten Sohn im Stich gelassen zu haben, schwächte mich so, dass ich an einem Fieber erkrankte. Ich durchlitt solche Ängste um John. Bella kam und pflegte mich den halben Herbst über. Mein Sohn hingegen nutzte meine Krankheit als Vorwand, um zu William zu ziehen.
Mit William im Schlepptau ließ er sich zu Weihnachten wieder sehen.
»Wir sind schließlich eine Familie, Mutter.«
John wirkte älter als siebzehn. Seine Verfassung war erbärmlich, seine Augen blickten so glasig, als hätte er Fieber. Von der Umpflegten wandelte ich mich also zur Pflegenden und drängte ihn, zu essen und in die frische Luft hinauszureiten.
William wurde in diesem Winter das Statthalteramt für das Schloss und die Stadt Cherbourg in der Normandie übertragen. Damit standen ihm sämtliche Lösegelder und
Kriegsgewinne an Land und auf See zu, außerdem übernahm der König die Kosten für Überfahrt, Verpflegung, Waffen und zahlte ein jährliches Salär von viertausend englischen Pfund. Dies war ein einträglicherer Gunstbeweis, als William erwartet hatte.
»Wirst du nach Cherbourg gehen?«, fragte ich, als er seine Ernennung beim abendlichen Mahl verkündete.
»Später. Zu Beginn werde ich einen Vertreter entsenden.« Er wandte sich lächelnd meinem Sohn zu.
Johns Gesichtsausdruck, eine Mischung aus Stolz und Freude, gezügelt durch einen Hauch schlechten Gewissens, sprach dafür, dass diese Abmachung schon eine ganze Weile vor mir geheim gehalten wurde.
Mir blieb das Herz stehen. »Warum John?«
»Es wird eine höchst vorteilhafte Gelegenheit für ihn sein.«
»Wenn es wirklich eine so vorteilhafte Gelegenheit ist, warum schickst du dann einen Vertreter? Bist du nicht Manns genug, selbst zu fahren?«
»Ich möchte gehen, Mutter«, sagte John. »Ich bin dankbar für die Chance, mich King Richard gegenüber zu beweisen.«
»Warum schickst du nicht deinen geliebten Neffen und Erben, William?«, fragte ich. »Warum wirfst du diese Pfründe meinem Sohn hinterher?«
William grinste.
»Warum setzt du meinen einzigen Sohn dieser Gefahr aus?«, verlangte ich zu wissen.
John setzte sich neben mich, legte einen Arm um meine Schulter und meinte: »Wartet nur ab, Mutter. Ihr werdet stolz auf mich sein.«
»Ich bin stolz auf dich, John.«
Vor dem Schlafengehen bat ich Gott auf Knien um Vergebung, nicht verhindert zu haben, dass der Streit zwischen
William und mir auf dem Rücken meines Sohnes ausgetragen wurde. Ich versuchte, mich davon zu überzeugen, dass John nur tat, was er selbst wirklich wollte. »Schenke ihm Frieden und Glück«, betete ich. »Auch wenn es bedeutet, dass er weit fort von mir ist.«
In den letzten Wintertagen brach er nach Cherbourg auf.
An seinem letzten Abend zu Hause sprach er davon, wie er es zu Ansehen bringen wolle, um eine Frau finden zu können, die ihn seiner Verdienste wegen achte, nicht weil er der Bastard des verstorbenen Königs war. Die Sache hatte also all die Zeit tief in seinem Innern an ihm genagt, genau wie ich es befürchtet hatte.
»Dein Vater war stolz auf dich, John, äußerst stolz auf dich. Dass du unehelich geboren wurdest, hat dich in seinen Augen nie herabgesetzt. Deshalb bestand er darauf, dass du zum Ritter geschlagen wurdest.« Sein Beharren auf der Eheschließung mit Mary Percy, in welcher all dies Leid gründete, verschwieg ich wohlweislich.
John gab mir Edwards Siegelring zurück. »Bewahrt ihn für mich, bis ich ihn mir verdient habe.«
Es zerriss mir das Herz. Bis dahin hatte ich nicht vollends begriffen, dass zugleich Segen und Fluch darin lag, ein Sohn Edwards zu sein.
Insgeheim wütete ich gegen William.
»Wenn er mir Ehre macht, werde ich mein Testament zu seinen Gunsten ändern«, hatte er während einer unserer verträglicheren
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