Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
gutherziger Mensch ist, litt er, ohne sich anderen gegenüber zu beklagen.«
»Er ist ein guter Mensch und ein hochherziger Freund«, sagte Janyn, »aber Dame Margery sieht nicht über ihre eigene Habgier hinaus. Sie erkennt einfach nicht, dass sie mit einem liebenswürdigen Ehemann und einem guten Leben gesegnet ist. Stattdessen vergiftet sie ihr eigenes Leben. Sie hat deinen Vater verhöhnt, indem sie seinen Freunden auf eine Art ihre Gunst schenkte, die ihn bloßstellen und quälen musste.«
»Und du warst einer dieser Männer?« Ich vermutete es aufgrund der Schärfe seiner Worte und dem Schmerz in seiner Stimme.
»Zu meinem größten Leidwesen, ja.«
»Ich habe gehört, wie meine Großeltern darüber sprachen, dass sie eifersüchtig auf mich ist. Hat sie dich geliebt?«
»Womöglich hat sie sich seinerzeit eingeredet, mich zu lieben, aber sie versteht nichts von meinem Herz und meiner Seele, Alice. Für viel wahrscheinlicher halte ich, dass sie dir das Leben neidet, das du hier in meinem Hause führen
wirst und das sie sich aufregender vorstellt als ihr eigenes, mit mehr Kleidern und mehr Juwelen.«
Ich wusste seiner Beschreibung meiner Mutter nicht zu widersprechen, bemerkte jedoch, wie gespannt er darauf wartete, ob das bereits Gesagte vielleicht schon genüge, mich zufriedenzustellen.
»Hast du deshalb unser Haus gemieden?«
Er nahm meine Hand und drückte sie an seine Wange. »Ja. Margery begehrte mich, Alice, und sie ging davon aus, dass auch ich sie begehren würde.«
»Hast du sie jemals geliebt, Janyn?«
Zu seiner Ehre und meiner enormen Erleichterung war er nicht mit einer raschen Antwort zur Hand, sondern dachte nach, horchte erinnernd in sich hinein. Traurig und bedächtig schüttelte er den Kopf.
»Sie ist eine wunderschöne Frau, und sie versteht es, einem Mann so ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken, dass es dessen Herz erwärmen muss. Auch ich habe mich zweifellos mit meinen Lobpreisungen für sie zum Narren gemacht, als ich ihr das erste Mal begegnete. Aber es dauerte nicht lange, und ich erkannte, dass sie nichts zu geben hat – sie saugt das Leben aus allen Menschen, die sie lieben, und hortet diese Liebe, ohne im Gegenzug etwas zu schenken. Ich danke Gott, dass ich niemals töricht genug war, mich in sie zu verlieben.« Er sah mir in die Augen. »So du es wünschst, musst du nichts mehr mit ihr zu tun haben, mein Lieb. Nach ihrem unnatürlichen Verhalten dir gegenüber kann das niemand von dir erwarten.« Er streckte den Arm aus, zog mich an sich und hielt mich fest umschlungen, als wollte er mich schützen. »Ich hoffe inständig, dass du mir glaubst.«
Dies erklärte all die Geheimniskrämerei, die meine Eltern hinsichtlich unserer Verlobung vor mir veranstaltet hatten.
»Jetzt, da ich weiß, warum sie sich so verhielten, verspüre ich keine Furcht mehr.«
»Bedauerst du, dich mir versprochen zu haben, Alice?«
»Nein. Du wirst niemals an mir zweifeln müssen.«
Er drückte mich einen Moment an sich, und ich spürte sein Herz schlagen. Als er mich losließ, trat ich einen Schritt zurück und holte tief Luft.
»Werde ich die Königinwitwe kennenlernen? «, erkundigte ich mich.
Janyn schien über den Themenwechsel erleichtert. »Das wirst du, und schon sehr bald. Sie wird sich kurz nach unserer Hochzeit auf den Weg nach London begeben, und da sie höchst begierig darauf ist, dich kennenzulernen, wird sie für eine Nacht in unserem Haus nördlich der Stadt Quartier nehmen. Wir werden selbstverständlich dort sein, um sie willkommen zu heißen.«
Mein Herz flatterte. Das klang tatsächlich aufregend. Und womöglich würde ja eine persönliche Begegnung, bei der ich Janyns Beziehung zu ihr aus nächster Nähe erlebte, auch meine letzten Besorgnisse zerstreuen. Jedenfalls betete ich dafür.
»Was ist mit meinen Großeltern? Wirst du ihnen von deiner Bekanntschaft mit der Königinmutter erzählen und davon, dass meine Eltern auf Castle Rising zu Gast sind? Es dürfte schwierig sein, es nicht zu erwähnen, und Vater wird später sicherlich mit ihnen darüber reden wollen.«
Erneut zögerte Janyn. Ich befürchtete schon, seine Freundschaft zur Königinwitwe könnte nicht bloß eine vertrauliche Angelegenheit sein, sondern vielmehr eine Sache bedingungsloser Geheimhaltung und Loyalität, eine, für die er sogar mit seinem Leben eintreten würde. Doch im nächsten Moment versicherte er mir, er habe sowieso beabsichtigt, es Dame Agnes am heutigen Tag beim Essen zu erzählen.
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