Die Verwandlung - Blutsbande 1
hier?“, schrie ich ihm fast entgegen.
„Worüber redest du?“
Eigentlich hatte ich es ihm nicht erzählen wollen, aber jetzt gab es keinen Weg mehr zurück. Komischerweise hatte ich das Gefühl, ich müsste ihm die Wahrheit sagen. Und wenn ich am Samstagabend sterben sollte, dann hatte ich sowieso nicht mehr viel zu verlieren. „Es war ein Handel, du Arschloch. Dein Leben gegen meines.“
Er trat einen Schritt vom Tor zurück. Ich sah in seinen Augen, dass er mir nicht glauben wollte. „Nein.“
Ich wollte ihn nicht länger schonen. „Ich konnte Dahlias Fluch nicht alleine bekämpfen. Also bat ich Cyrus um Hilfe, um dich zu retten. Als Gegenwert verlangte er, dass ich hier lebe.“
Nathan fuhr sich mit der Hand durch die Haare und raufte sie. „Ich glaube dir nicht.“
„Gut. Dann glaube mir eben nicht.“ Ich war zu müde, um ihn von der Wahrheit zu überzeugen, die ich ihm von vornherein nicht hatte sagen wollen. „Ziggy wird dir alles erzählen. Er hat mich hergefahren, um ein Gegengift für dich zu besorgen. Und er wird dir auch berichten, was ich dafür getan habe, damit ihm hier nichts geschieht.“
Ich weiß nicht, woran es gelegen hatte, aber offensichtlich fühlte sich Nathan so beschissen, wie er es in meinen Augen verdient hatte. „Warum hast du mir das nicht gesagt?“
„Weil es etwas war, das ich tun musste. Ich wollte nicht, dass du stirbst, und ich wollte auch nicht, dass sie dich umbringen, wenn du hier hereingestürmt wärest, um mich womöglich zu retten.“ Er sah so betroffen aus, dass ich das Gefühl hatte, ich müsste seine Schuldgefühle ein wenig mildern. „Außerdem wollte ich die Chance nutzen, um meinen Schöpfer kennenzulernen. Es gibt schließlich einen Grund dafür, dass er so ist, wie er ist.“
Ich musste an seinen Vater denken und daran, dass er ihm die Wunde auf der Brust zugefügt hatte, an den Schmerz, den Cyrus ertragen haben musste. Dennoch wollte Cyrus dem Souleater gefallen. War er vielleicht ein guter Mensch gewesen, bevor sein Vater ihn mit Reichtum und Macht geködert hatte? Und trotzdem, er hatte seinen Bruder im Schlaf umgebracht.
Nathan holte tief Luft und kratzte sich am Kopf. Ich wollte ihm noch so viel sagen, aber ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Obwohl mich Cyrus so schlecht behandelt hatte, hasste ich ihn nicht. Ich wollte nicht, dass er starb. Und ein Teil von mir wollte außerdem, dass er wieder um mich warb.
He, das waren ganz schön einsame Wochen.
Abgesehen davon, was ich für Cyrus empfand, wollte ich auch nicht, dass Nathan ging, ohne dass wir irgendeine Lösung für uns gefunden hatten. Vielleicht steckte hinter dem, was ich zuerst für „Begehren auf den ersten Blick“ gehalten hatte, doch eine tiefere Verbindung, die ich mir nicht eingestehen wollte. Das erschreckte mich mehr als die drohende Aussicht, zu sterben.
Endlich sagte Nathan etwas. „Ich war ein ziemlicher Idiot.“
„Allerdings. Aber vielleicht hätte ich dir mehr vertrauen sollen. Ich meine, wenn ich dir erzählt hätte, dass ich einen Handel mit Cyrus abgeschlossen hatte und nun mit ihm leben muss, dann hättest du das respektiert, oder? Dann wärest du nicht einfach hier hereingeplatzt, um mich zu retten, oder?“
Anstatt zu antworten, hob er ironisch eine Augenbraue.
„Genau deswegen habe ich es dir nicht erzählt.“ Je länger ich mit Nathan redete, desto klarer wurde mir, wie sehr ich ihn vermisst hatte. In mir wurde die Angst immer stärker, dass ich einen Fehler gemacht hatte, hierherzukommen und mit Cyrus zu leben. Es gab zwischen Nathan und mir keine Blutsbande, die meine Gefühle beeinflussten. Sollte das heißen, dass meine Zuneigung zu Nathan stärker war als meine Verehrung für Cyrus?
Wie in Zeitlupe streckte Nathan seinen Arm durch das Eisengitter des Tores nach mir aus und ergriff meine Hand. Als er sie festhielt, spürte ich mein Blut in den Adern rauschen. Ich war wie elektrisiert, aber es war anders als mit Cyrus: Ich spürte nichts Negatives in diesem Gefühl. Nathan strich mir mit dem Daumen über meinen Handrücken, als wir unsere Hände wieder voneinander lösten. Wir starrten uns eine Weile an, bevor er wieder anfing zu sprechen: „Carrie, willst du von hier fort?“
Ich hob den Kopf. „Im Ernst?“
„Im Ernst.“ Er lachte leise. „Ich kann dich hier herausholen, wenn ich Ziggy hole.“
Ich blickte zurück zum Haus. Das Licht in Cyrus’ Zimmern war an. „Ich will weg, aber …“
„Aber die Blutsbande halten dich
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