Die Verwandlung - Blutsbande 1
angestellt.“
Meine Rippen brachen, als mir Cyrus den Brustkorb auseinanderriss. Als ich vor Schmerzen schrie, verschluckte ich mich an meinem eigenen Blut.
Die Bilder in meinem Kopf flogen wild durcheinander. Ich sah das Gesicht der toten Frau, das ich schon einmal wahrgenommen hatte. Es war die gleiche Frau, die neben Cyrus auf der Dinner-Party saß. Sie lachte und fuhr mit dem Finger über die Wunde auf Cyrus’ Brust. „Und warum würde ich das zulassen?“, frage sie.
Ihr neckender Ton verletzte ihn. „Damit wir für immer zusammen sein können.“
Meine Vision wurde klarer, und ich sah Cyrus über mich gebeugt, seine Hände und seine Kleidung waren voller Blut. Meinem Blut. „Und du wirst für immer mit mir zusammen sein.“
Die furchtbaren Glocken läuteten schon wieder. Ich hatte keine Ahnung, wie lang ich schon so da lag. Ich konnte Cyrus nicht sehen, aber ich hörte seine Stimme irgendwo in dieser kleinen Gasse. „Wenn du die Nacht überlebst.“
Das Blut auf meinem Pullover war nicht mehr warm. Es war fast an meiner Haut festgefroren. Als ich die Häuserlücke in den Himmel hinaufblickte, waren keine Sterne zu sehen. Bald würde es hell werden.
Ich schloss die Augen und hatte keine Energie, mir darüber Sorgen zu machen, was mit mir geschehen würde, wenn die Sonne aufging und die Strahlen meine Haut treffen würden. Der Tod schien mir einfacher zu sein, als gerettet zu werden. Wenn mich jemand finden würde, wie würden sie mich zusammenflicken können? Meine Verletzungen ließen sich nicht mehr versorgen, ich war ausgenommen wie ein Fisch.
Ich überlegte, was Nathan wohl gedacht hatte, als er hinauf in die Wohnung ging und ich nicht dort war. Vielleicht hatte er angenommen, dass ich ihm wieder den Rücken zugekehrt hatte und die Freundschaft mit ihm aufgab. Oder dass ich so böse auf ihn war, dass ich zu dem Mann zurückgekehrt war, der seinen Sohn auf dem Gewissen hatte.
Würde er mich für den Rest seines Lebens hassen?“
Etwas Weiches und Kühles berührte leicht mein Ohr. Eine Brise in der sonst windstillen Nacht. Ich öffnete die Augen. Alles um mich herum, die enge Gasse war dunkel geworden. Farben verschmolzen zu diffusen Blasen, die mit der Verlangsamung meines Herzschlages dunkler wurden. Die Schmerzen, die ich in der Brust spürte, verwandelten sich in ein warmes konzentriertes Gefühl, das alle anderen Sinneswahrnehmungen ausschloss.
Dann wurden die Abstände zwischen den formlosen Blasen kleiner und kleiner, bis alles nur noch schwarz war. In der Ferne sah ich einen kleinen Lichtpunkt. Er wurde größer und kam in Spiralen auf mich zu.
Im Medizinstudium hatten wir uns mit den Sterbetheorien von Kübler-Ross beschäftigt. Ein flackernder Tunnel, all deine Verwandten und die Gottheit deiner Wahl standen am Ende, um dich zu begrüßen.
Als ich meine Praktika absolvierte, hatte ich die Krankenschwestern darüber reden hören. „Der Mann am Ende meines Bettes“, nannten die Patienten es. Die Schwestern sprachen darüber, dass Sterbende diese Vision immer in der Nacht vor ihrem Tod hatten.
Beide Vorstellungen vom Sterben hatten mir Angst gemacht und waren mir fremd.
Sie schienen so unvermeidlich und unangenehm zu sein wie eine Zahnwurzelbehandlung. Was ich nun aber erlebte, war ruhig und fließend, meine Sinne schwanden mir Stück für Stück, während das gleißende Licht vor mir immer deutlicher zu werden schien.
Anstatt den Himmel zu sehen, betrachtete ich die schmale Gasse und die Straße, die dahinter lag. Zu meinen Füßen sah ich einen leblosen Körper, den Oberkörper aufgebrochen wie ein aufgeschlagenes gruseliges Bilderbuch.
Ich wünschte, ich hätte mein ganzes Leben so anschauen können, wie ich es jetzt tat, auch wenn alle Farben wie ein ausgeblichenes Aquarell erschienen. Plötzlich tauchten von dem leeren Bürgersteig graue Schatten auf, die in einem Horror-Ballett umeinanderzutanzen schienen. Eine große braune Katze lief über das Grundstück und schnüffelte an mir.
Die Lebendigkeit der Katze nahm mir den Atem. Die Schatten hatten sie schon gesehen und griffen nach ihr mit ihren langen Fingern, aber sie fauchte nur und lief dorthin zurück, wo sie hergekommen war. Ich wollte ihr folgen. Ich musste sie berühren und ihr Leben spüren. Aber etwas wie ein Anker hielt mich auf dem Boden fest.
Etwas zog an meinen Schultern und erinnerte mich daran, dass ich noch lebte und atmete. Ich wollte einfach nur schon tot sein.
Also so fühlt es sich an, wenn man zum
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