Die Verwandlung - Blutsbande 1
jetzt bin ich ja wieder ganz.“
„Ich habe dir geholfen.“ Er lächelte und deutete auf den Nachttisch, wo ein Stapel mit medizinischer Fachliteratur lag. „Wie ich schon sagte, du bist noch nicht lange genug ein Vampir, um ganz von allein solch eine Wunde heilen zu können.“
„Nathan, wie zur Hölle hast du …“
„Wenn ich dir das erzähle, willst du es wahrscheinlich gar nicht mehr wissen. Ich hatte nicht gerade die neuesten chirurgischen Instrumente zur Hand.“ Er deutete auf den Klapptisch, wo aus dem Erste-Hilfe-Kasten ein paar rostige Zangen hervorlugten.
Mir drehte sich der Magen um, aber das konnte auch noch die restliche Übelkeit vom Morphium sein. „Versuch es.“
„Ich habe Draht genommen, um dein … Sternum, Brustbein, zusammenzuhalten?“
Ich nickte und wunderte mich über seine Fachterminologie. Dann erzählte er weiter.
„Um es zusammenzuhalten.“ Er schaute weg. „Ich musste ihn immer wieder um die Knochen wickeln. An deiner Stelle würde ich am Flughafen durch keinen Metalldetektoren mehr gehen.“
Ich räusperte mich, um das Thema zu wechseln, ich hätte es nicht mehr länger ausgehalten. „Nun, danke für den Hinweis. Aber wenn ich nicht von alleine heilen konnte, warum geht es mir dann jetzt so viel besser?“
Er blinzelte mich an. „Erinnerst du dich an gar nichts mehr in der Nacht?“
„Nein. Ich weiß genau, was passiert ist. Ich will es nur von dir hören, um mir die Zeit zu vertreiben.“ Ich lehnte mich in die Kissen. „Wenn es etwas gibt, das du mir zu sagen hast, dann denke ich, solltest du es einfach tun.“
„Du hattest zu viel Blut verloren. Auch wenn du bei Bewusstsein gewesen wärest, um etwas zu dir zu nehmen, wäre es einfach durch dich hindurchgelaufen. Und du bist gestorben, Carrie.“ Er seufzte frustriert. „Wenn ich gewusst hätte, was passieren würde …“
Ich konnte meinen Puls in meinen Ohren hören. Aber noch irritierender war, dass ich auch seinen hören konnte, als hielte ich ein Stethoskop gegen seine Brust. „Nathan, was hast du getan?“
Er sah mir gerade in die Augen, und Hitze durchzog meinen Körper.
„Ich habe dich auf die einzige Art und Weise wiederbelebt, die ich kannte. Es gab keine andere Möglichkeit. Ich habe dir mein Blut gegeben.“
„Und was bedeutet das?“
„Erstmal gar nichts. Ich war verzweifelt, Carrie. Ich dachte, mein Blut würde deinen Heilungsprozess beschleunigen. Dann, als ich dich berührte, um die Verbände zu wechseln, habe ich angefangen, in deine Vergangenheit zu schauen, daher weiß ich …“ Er holte tief Luft. „Als du zum ersten Mal ein Vampir wurdest, hast du ein wenig von Cyrus’ Blut aufgenommen. Dein Herz muss da an einem gewissen Punkt stehen geblieben sein …“
„Ja, nach einer meiner Operationen.“
„Da bist du ein Vampir geworden. Als ich dir mein Blut gab, dein Herz …“ Er sah fort und räusperte sich. „Du warst schon tot, aber das schien keinen Unterschied zu machen. Der Vorgang wiederholte sich, als wärest du nie ein Vampir gewesen. Ich glaube, dass ich nun dein Schöpfer bin.“
Mein Mund war trocken und zum ersten Mal in meinem Leben war ich wirklich sprachlos. Aber nicht, dass es mir an Worten gefehlt hätte. Ich hatte viel zu sagen, aber gleichzeitig gingen mir zu viele Gedanken durch den Kopf. Ich war zum Beispiel erleichtert, dass Cyrus’ Blut nicht mehr durch meinen Körper strömte. Aber das war kein richtiger Trost, denn im nächsten Moment wurde mir klar, dass ich so wenig über Nathan wusste. Und auch er selbst hielt nicht sonderlich viel von sich.
Natürlich wusste ich, dass Nathan nicht so hinterlistig war, mit mir Spielchen zu treiben, wie Cyrus es getan hatte. Aber es gab da diese Anziehungskraft zwischen uns, die seit der Nacht bestand, in der wir uns zum ersten Mal getroffen hatten.
Das schien lange her zu sein, und Nathan war inzwischen für mich wieder zu einem völlig fremden Menschen geworden. Er gab nichts von sich preis, aber einen kleinen Einblick hatte ich wenigstens von ihm gewonnen.
Aber nun war er mein Schöpfer.
„Ich verstehe das nicht.“ Meine Kehle war so trocken, als hätte ich gerade die Wüste ohne einen einzigen Tropfen Wasser durchquert. „Cyrus starb ebenfalls in der Notaufnahme. Wie konnte er überleben, ohne dass ihm ein Vampir sein Blut gab?“
Nathan kniff sich mit den Fingern in die Nasenwurzel und schloss die Augen. „Es hängt von deinem Alter und deiner Macht ab, wie lange du als Vampir tot sein kannst,
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