Die Verwandlung - Blutsbande 1
Damit verließen er und sein Diener den Raum.
Ich schloss meine Augen. Es wäre viel zu einfach gewesen, meine Unterwürfigkeit den Blutsbanden zuzuschreiben, aber ich konnte mich selbst nicht betrügen. Cyrus zog mich magisch an, und das trotz der Art und Weise, wie er mich heute Morgen behandelt hatte. Einen Moment lang glaubte ich sogar, dass ich mehr für ihn war als nur ein Spielzeug.
Das war bisher die gefährlichste Taktik, die er in unserem Kampf angewendet hatte.
EIN GESCHENK
Weil es schon bereits auf fünf Uhr morgens zuging, suchte ich meine Zimmer auf. Unentschlossen lief ich in meinem Schlafzimmer auf und ab und wusste absolut nicht, was ich anziehen sollte. Ein Keuschheitsgürtel wäre nett gewesen, aber so ein Kleidungsstück befand sich nicht in meinem Schrank.
Allmählich ging es mir extrem auf die Nerven, dass man in unserem Flügel des Hauses kein Geräusch modernen Lebens hören konnte. Zuerst hatte ich das als angenehm empfunden. Ich hatte keine Lust, mit den Fangs herumzuhängen, um Radio zu hören, aber mit jeder verstreichenden Stunde gefiel mir die Idee immer besser. Ich hoffte, Cyrus davon überzeugen zu können, dass ich einen Fernseher in meinen Räumen brauchte, wenn ich es nur geschickt genug anstellte. Nach der anstrengenden Nacht, die ich gehabt hatte, schien es nicht so verkehrt, wie es eigentlich sollte, mich für einen Kabelanschluss zu prostituieren.
Ich hatte mich fast schon für einen schlichten schwarzen Rock, der gut zu meinem Rollkragenpullover passte, entschieden, als es leise an meine Tür klopfte. Bevor ich sie öffnen konnte, trat Clarence herein. Er trug einen Kleidersack aus Plastik, den er ohne ein Wort auf das Bett legte.
„Was ist das?“, fragte ich ihn, als er hinausging.
„Lesen Sie die Karte“, war alles, was er sagte, bevor er die Tür hinter sich zuzog.
„Vielen Dank für Ihre Hilfe“, murmelte ich und sah mir die Tasche an. Obenauf lag ein kleiner Umschlag. Ich nahm die Karte heraus und las den Inhalt, der in einer eleganten Handschrift geschrieben war.
Ich hoffe, die Robe findet dein Gefallen. Es würde mich sehr freuen, wenn du sie heute Abend tragen würdest. Clarence wird um fünf Uhr kommen, um dich abzuholen.
Ich wappnete mich dafür, etwas Schreckliches in dem Kleidersack zu finden, und öffnete den Reißverschluss. Das Kleid entsprach nicht dem, was ich erwartet hatte – obwohl ich keine genaue Vorstellung gehabt hatte, was mich erwarten würde. Ich hob das Kleid aus der Verpackung und musste zugeben, dass Cyrus einen guten Geschmack hatte.
Das Kleid war bodenlang, der Satin leicht rosafarben.
Normalerweise würde ich mich unwohl fühlen, so overdressed zu sein, aber als ich das Kleid anzog und mich im Spiegel ansah, musste ich feststellen, dass die Farbe mir sehr gut stand: Sie passte zu meinen Haaren, und obwohl ich nach meiner Verwandlung blass geworden war, wirkte meine Haut neben der Farbe des Stoffes nicht so fahl.
Ich war eigentlich nicht so eitel, aber ich hatte mich seit meinem Abschlussball auf der Highschool nicht mehr so fein angezogen. Und mich selbst in einem anderen Kleidungsstück als einem Laborkittel oder Jeans zu sehen, zog mich immer wieder zum Spiegel hin. Ich nahm ein Paar Diamant-Ohrringe aus der Schublade und löste mein Zopfgummi. Ich bürstete mir die Haare, bis sie in sanften Wellen um meine Schultern fielen. Ich sah so gut aus, dass selbst ich mir eine Hauptrolle im Fernsehen angeboten hätte.
Jetzt sehe ich aus wie ein Modell, das einem Maler Porträt stehen sollte, dachte ich und bereute es augenblicklich. Nach dem T-Shirt-Debakel, hatte ich darauf geachtet, Nathans Bild zu verstecken, aber dabei hatte ich das Gefühl gehabt, einen Freund zu beerdigen. Ich fragte mich, was Nathan jetzt wohl machte. Ob er mich vermisste? Oder ob er sich einfach die Zeit vertrieb, bis er eine Gelegenheit fand, mich zu töten?
Ich ermahnte mich, meine Gedanken nicht länger um solche morbiden Vorstellungen kreisen zu lassen. Was immer zwischen uns begonnen haben mochte, zwischen mir und Nathan war es vorbei. Ich könnte mich weiter an der Vergangenheit festhalten oder ich könnte mich über mein neues Leben freuen.
Ich starrte den Spiegel an und erkannte mich selbst kaum wieder. Früher war ich immer einsam und unglücklich gewesen. Ich hatte mein Leben durch meine Karriere definiert, und mein Herz hatte dabei keine Rolle gespielt. Ich wusste nicht, wer ich war oder wie ich es herausfinden sollte. Aber nun hatte ich die
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