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Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Titel: Die Verwandlung der Mary Ward - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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zukam, ihn am Arm faßte und sagte: »Hi, Bent. Wie geht’s denn immer so?«
    Bentwater gab dem Mädchen einen Kuß. Sie benutzte dunklen Lippenstift, ihr braunes Haar war oben auf dem Kopf zusammengebunden, und sie hatte ein schmales, blasses Gesicht. Walter konnte den Blick nicht von ihr wenden und dachte: Sie sieht müde aus. Sie sieht aus, als könnte sie jemanden brauchen.
    »Ich habe Walter gerade etwas über die Geschichte dieses Theaters erzählt«, sagte Bentwater. »Walter ist aus England.«
    »Ist es denn die Möglichkeit?« rief das Mädchen.
    Walter streckte ihr die Hand hin. Sie schüttelte diese leicht, fast ohne sie zu berühren.
    »Das ist Skippy Jean Maguire«, stellte Bentwater sie vor. »Sie ist schon seit einigen Jahren Begleitsängerin an der Opry. Ganz gleich, welches verdammte Lied du singst, Walter, Skippy Jean findet die passende Begleitung dazu. Und sie hat sich das selbst beigebracht. Kann keine Noten lesen!«
    »Das stimmt«, sagte Skippy Jean. »Notenblätter – sie könnten genausogut in japanisch sein. Sie sind also Sänger, Walter?«
    »Ich will einer werden. Bin auf dem Weg dazu.«
    »Er ist ein Sänger«, widersprach Bentwater. »Er hat mit mir zusammen auf Mrs. Riveaux’ Beerdigung gesungen, und wir haben die ganze Kirche zum Weinen gebracht. Und jetztschneiden wir ein Demo. Du hast einen künftigen Star vor dir, Skippy Jean.«
    »Wirklich?!« fragte sie. Obwohl es eine Art Frage war, klang es bei ihr doch mehr wie eine Antwort auf irgend etwas.
    »Bent wird mein Agent«, sagte Walter.
    Skippy Jean puffte Bentwater in die Seite. »Heiliger Jesus! Wollen Sie damit sagen, daß Sie ihm trauen ?«
    »Ja«, entgegnete Walter.
    »Zum Teufel. Ich würde Bentwater Bliss nicht über den Weg trauen. Mein Lieber, suchen Sie sich jemanden, der auf Sie aufpaßt. Sonst enden Sie noch ohne ein Dach über dem Kopf auf der First Avenue.«
    Walter holte ein Päckchen Kaugummi aus der Jackentasche und bot Skippy Jean einen an. »Sie können ja auf mich aufpassen«, meinte er. »Wenn Sie wollen.«
    Sie sah ihn an. Auch Bentwater sah ihn an. Seine Bemerkung hatte wie eine Liebeserklärung geklungen. Es hätte ihm peinlich sein sollen, war es aber nicht. Skippy Jean nahm den Kaugummi.
    Er sah ihr den ganzen Abend über zu.
    Es gab drei Backgroundsänger – zwei Mädchen und einen Mann. Sie saßen auf hohen Hockern vor den Mikrophonen und warteten auf ihren Einsatz. Sie sangen so leicht, als wäre das Singen nichts anderes als Atmen, als könnten sie es im Schlaf. Sie steckten die Köpfe zusammen. Walter mußte immer wieder denken: Ich wünschte, mein Kopf wäre einer davon, so nahe an ihrem.
    Bentwater sang Bird in the Sky . Die Begleitung, die Skippy Jean und die beiden anderen dazu sangen, war hübscher als Walters auf der Beerdigung.
    Spät in der Nacht ging noch eine Gruppe zu Fay May, und Bentwater und Walter schlossen sich an. Dort fiel Walter dann auf, daß er den Felsbrocken schon seit Stunden nicht mehr vor sich gesehen hatte.
    Er setzte sich neben Skippy Jean. Sie rauchte eine Zigarettenach der anderen. Er atmete die Mischung ihres Parfüms und Rauchs ein.
    Walter rief sich ins Gedächtnis, wie hoffnungslos seine vergangenen Lieben gewesen waren. Dann sagte er sich, daß seine Vergangenheit weiter zurücklag als die der meisten Leute. Er hatte sie abgeschnitten, als er sich für Amerika entschieden hatte. Sie war ein Fleck am Horizont, der sich immer weiter entfernte. Bald schon würde seine Vergangenheit nicht mehr zu sehen sein, würde er nicht mehr an sie denken.
    Er lud sie zu ein paar Drinks ein. Sie hielt das Glas wie ein Kind in beiden Händen.
    Er fragte sie: »Sind Sie mit irgend jemandem verheiratet?«
    Sie antwortete nicht darauf, stellte ihr Glas hin und lächelte ihn an. Eine ihrer falschen Wimpern hatte sich im Augenwinkel gelöst.
    »Es ist einfach faszinierend für mich, Walter, wie Sie sprechen«, sagte sie.
Herzloser Fluß
    Timmy schloß sein Studium am Teviotts erfolgreich ab. Er merkte sogleich, daß er das Hebräisch, mit dem er sich so lange herumgeschlagen hatte, schon wieder zu vergessen begann. Von seinen Bemühungen, es im Kopf zu behalten, bekam er Kopfschmerzen. Schließlich ließ er es ziehen.
    Er fragte sich und Pearl, was aus verlorenem Wissen wurde. Hing es in der Luft wie ein Fliegenschwarm und wartete darauf, wiederentdeckt zu werden?
    Pearl sagte: »Tim, du hast so viele nicht beweisbare Dinge im Kopf. Ein Glück, daß mein Gebiet die Biologie

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