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Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Titel: Die Verwandlung der Mary Ward - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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ist!«
    David Tate war vom Anblick Timmys in seinem Vikarschwarz gerührt. Er legte ihm beide Hände auf den Kopf und segnete ihn. Ganz persönlich bat er dann noch Gott, Timothy vor Boshaftigkeit zu beschützen.
    Timmy sollte seine erste Stelle in Shropshire nahe der walisischen Grenze antreten, und er und Pearl sollten in einem Bungalow mit Schieferdach wohnen, zu dem ein Garten gehörte, in dem Kohl angepflanzt war. Es gab zwei Schlafzimmer, eins für sie und eins für das Baby, das Pearl im Winter erwartete. Das Kind sollte den Namen David oder Sophie erhalten.
    Die Kirche hieß St. Swithin. Außer ihr gab es in dem Tal noch drei Schaffarmen, zweihundert Häuser und ein städtisches Schwimmbad. Als Timmy sah, daß direkt am Fuße der Grashügel ein Bad lag, dachte er: der 90º-Winkel ist jetzt ein 180º-Winkel. Die horizontale Linie ist die Erde, und der Himmel ist die perfekte Kuppel.
    Sie fuhren für ein paar Tage nach Swaithey, um sich zu verabschieden. Sie beabsichtigten jedoch nicht, auf dem Hof zu übernachten. Pearl wollte lieber mit Irene zusammensitzen, Arm in Arm, warm und gemütlich, und über das Baby sprechen. Billy kniete vor Pearl, den Kopf auf ihren Leib gelegt, und lauschte auf Lebenszeichen von dem Baby. Edward ging auf den Speicher, holte das Kinderbettchen herunter, das er für Billy angefertigt hatte, und gab es Timmy. Es herrschte Frieden und Eintracht im Haus.
    Einen Tag verbrachten Timmy und Pearl auf dem Hof.
    » Einen Tag«, sagte Sonny, »einen einzigen, gottverdammten Tag.«
    Sie saßen im Wohnzimmer, der Fernseher war leise gestellt. Die Dauerwelle wuchs aus Estelles Haar, das jetzt zur Hälfte wieder glatt und zur Hälfte noch lockig war. Ava Gardner hatte nie so ausgesehen.
    Es war Erntezeit, doch gab es keine Ernte. Auf vier Feldern wuchsen Rüben. Überall sonst breiteten sich Disteln, Ampfer, Holundergestrüpp, Weinrosen, Meerrettich und Gras aus.
    »Der Hof gehört noch dir«, sagte Sonny zu Timmy. »Du hast ihn zwar vernachlässigt, so daß alles den Bach runtergegangen ist, doch er gehört noch dir. Du kannst mit Pearl unddem Baby hier wohnen. Wir hätten nichts dagegen. Wir würden euch nicht im Weg stehen, und ihr könntet alles zur freien Verfügung haben...«
    »Nein«, erwiderte Timmy.
    »Das ist deine letzte Chance«, sagte Sonny.
    »Du weißt, daß es nicht geht.«
    » Was? Sprich lauter!«
    »Wir ziehen nach Shropshire. Es ist alles geregelt.«
    »Es ist deine letzte Chance. Darunter ist ein guter Boden. Weniger Steine als zu Zeiten meines Vaters. Das Land gehörte den Wards schon vor dem Ersten Weltkrieg.«
    »Hör auf, Sonny«, fiel Estelle ein.
    »Ich sage ihm doch nur, daß dies seine letzte Chance ist.«
    »Das Essen ist fertig«, verkündete Estelle.
    Sie gingen in die Küche. Unter dem Tisch war der Hund. Er legte den Kopf auf Pearls weiße Schuhe.
    Estelle hatte ein gefrorenes Hähnchen gebraten, das sie küchenfertig, in einen Plastikbeutel gepackt, bei Grace Loomis gekauft hatte. Estelle wußte, daß das Hähnchen nach nichts schmeckte. Ihr war es jedoch lieber, wenn etwas nach nichts schmeckte, als wenn es so wie früher schmeckte. Sie meinte: »Es kann sein, daß es in Shropshire noch keine Fertiggerichte gibt, aber sicher werden sie dort auch noch hinkommen.«
    Pearl fragte: »Wußtest du, daß Shropshire eine sehr schöne Grafschaft ist?«
    »Ja«, antwortete Estelle, »aber auf der anderen Seite Englands. Wann werde ich da meinen Enkel sehen?«
    »Das weiß ich nicht«, meinte Timmy.
    »So oft wie möglich«, erklärte Pearl.
    »Was heißt das?« fragte Estelle.
    »Das heißt, daß wir so oft wie möglich kommen«, antwortete Timmy. »Genauer können wir es nicht sagen.«
    »Nichts ist genau«, meinte Estelle. »Nur das eine weiß man genau: daß nichts genau ist.«
    Daraufhin herrschte Schweigen. Pearl dachte: So war eshier immer, so muß es hier für Timmy und Mary immer gewesen sein. Ständig dieses unerträgliche Schweigen. Sie hatten ja gar keine andere Wahl als wegzugehen...
    Kurz nach dem Mittagessen brachen Timmy und Pearl auf. Sie stiegen in Edwards Wagen.
    Estelle küßte sie beide zum Abschied. »Kümmert euch umeinander. Darauf kommt es an.«
    Sonny schwieg. Er starrte die beiden nur an und nickte. Als sie in den Wagen stiegen, sagte er: »Das Zimmer, in dem ich schlafe, wäre als Babyzimmer geeignet.«
    Doch das hörten sie nicht mehr. Winkend und lächelnd fuhren sie davon.
    Estelle weigerte sich, das Datum des nächsten Ereignisses im

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